Vor rund zwei Wochen endete das Spiel mit 0:0. Aber neben dem Rasen fiel die Bilanz «spektakulärer» aus: 35 verletzte Polizisten, mehr als 40 Festnahmen und ein Stadion, das mehr Schlachtfeld als Arena war: Hooligans hatten über 2000 Stühle aus ihren Verankerungen gerissen und gingen damit auf Polizisten los, wie dies Fernsehbilder (Video) dokumentieren.
Das «Ewige Derby» zwischen den Stadtrivalen Partizan und Roter Stern in der serbischen Hauptstadt Belgrad bot «Szenen wie im Krieg», schildert SRF-Südosteuropa-Korrespondent Walter Müller.
Rein rhetorisches «Durchgreifen» der Behörden
Das 148. Duell der beiden ewigen Rivalen sorgte einmal mehr für unrühmliche Schlagzeilen. Im ehemaligen Jugoslawien zog die Affiche teils über 100‘000 Zuschauer an und entzückte die Sportwelt. Heute spielt der serbische Fussball, zumindest auf Klubebene, nicht mehr im Konzert der Grossen. Im Land selbst ist der Stellenwert des Fussballs ungebrochen.
Entsprechend empört fiel die Reaktion auf die Gewalteskalation auch diesmal aus – zumindest vordergründig: «Der Aufschrei in der Politik und Öffentlichkeit ist jeweils laut», schildert Müller. Gebetsmühlenartig werden Sprachformeln wie «hartes Durchgreifen» oder «Rückkehr zum sauberen Sport» durchexerziert – aber Konsequenzen bleiben jeweils aus.
Die Unberührbaren
«Es fehlt schlichtweg der politische Wille», beschreibt Müller die Apathie von Politik und Staatsmacht. Denn viele einflussreiche Politiker bekleiden in Serbien höchste Ämter im Fussball- und Sportgeschäft, etwa als Verbands- oder Vereinspräsidenten. Hier lassen sich Netzwerke und Einflussbereiche aufbauen. Dazu kommt, «viele Politiker sind bestens bekannt mit den Rädelsführern», berichtet Müller.
Sie seien nicht eine unbekannte Masse, wie etwa in der Schweiz, sondern gemeinhin bekannte Gesichter und ihrerseits mächtig. Verhaftungen und Prozesse erfolgten durchaus, viele Angeklagte würden aber von renommierten Anwälten «rausgehauen», schildert Müller. Woher das Geld komme, bleibe unklar. Fest steht: Viele der sogenannten «Ultras», deren Aktivitäten auch in die organisierte Kriminalität reichen, geniessen den Schutz einflussreicher Kreise.
Sturmtruppen für «besondere Einsätze»
Sport und Politik – in Serbien sind die Grenzen fliessend: Umtriebige Würdenträger profitieren von den kampferprobten Männern, die ihren Interessen «Nachdruck» verleihen können. «Schon in den 1990er-Jahren kontrollierte das Milošević-Regime die Sportklubs und ihre Anhänger», so Müller.
Der serbische Kriegsverbrecher «Arkan» beispielsweise rekrutierte aus dem harten Kern der Roter-Stern-Anhänger freiwillige Paramilitärs, die in Bosnien und Kroatien kämpften. Im Jahr 2000 stürzten die demokratische Opposition das gleiche Regime – mit Hilfe der gleichen «Rekruten», die das Parlament stürmten.
«Die Hooligans haben kein politisches Profil und werden für die unterschiedlichsten Zwecke instrumentalisiert», so Müller: «Sie können beliebig als Sturmtruppen eingesetzt werden.» Mitunter auch gegen Homosexuellen-Demos oder solche zur Unabhängigkeit des Kosovo.
Ausschluss vom europäischen Fussball?
Der einzige gemeinsame Nenner für viele der an sich apolitischen Hooligans ist ihr glühender Nationalismus. Die Chancen, wirksam gegen die Szene vorzugehen, sind laut Müller wenig aussichtsreich. «Der Staat könnte den Klubs den Geldhahn zudrehen.» Die Verflechtungen von Sport und Politik stünden dem aber im Weg.
Und wie sieht es mit einem Eingreifen von aussen aus, etwa durch den europäischen Fussballverband, der in den 1980er-Jahren englische Klubs vom internationalen Geschäft ausschloss? «Das Land zu isolieren, könnte, wie schon im Balkan-Konflikt, in einem nationalen Reflex münden: ‹Wir gegen den Rest der Welt›», meint Müller.
Vielmehr müssten der europäische (UEFA) und der internationale Fussballverband (FIFA) den serbischen Fussball als Partner in die Pflicht nehmen. Ob dieser «sanfte Druck» ausreicht, die Gewaltrituale in- und ausserhalb der serbischen Stadien zu unterbinden, bleibt jedoch fraglich.