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Bild von Vojislaw Seselj
Legende: Vojislaw Seselj wird sich wegen seiner mutmasslichen Kriegsverbrechen wohl erneut vor Gericht verantworten müssen. Reuters

International Seselj-Prozess: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Die Anklage am Internationalen Strafgerichtshof ist nicht einverstanden mit dem Freispruch des serbischen Nationalisten Vojislaw Seselj. Sie will den Fall nochmals aufrollen, weil umfangreiches Beweismaterial nicht berücksichtigt worden sei.

Der Chefankläger des UNO-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien, Serge Brammertz, will den Freispruch für den serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj anfechten. «Mein Büro hat entschieden, Berufung gegen das Urteil einzulegen», erklärte er.

Der Chefankläger warf den Richtern in Den Haag «schwere Irrtümer» vor. Sie hatten den wegen Kriegsverbrechen angeklagten Serben vergangene Woche überraschend aus Mangel an Beweisen freigesprochen. «Wir gehen davon aus, dass die Mehrheit der Richter grundlegend mit der Erfüllung ihrer richterlichen Funktion gescheitert ist», erklärte Brammertz.

«Schwere Irrtümer» der Richter

Er hatte sich bereits nach dem Freispruch verärgert gezeigt. Auch die von ihren beiden Kollegen überstimmte Richterin Flavia Lattanzi hatte sich erschüttert geäussert und gesagt, das humanitäre Völkerrecht sei ausser Acht gelassen worden.

Die Anklage gegen Seselj umfasste neun Punkte, in denen dem 61-Jährigen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Zwangsvertreibung während der Zeit der Kriege auf dem Balkan in den 1990er-Jahren zur Last gelegt wurden.

Seselj war Verfechter eines imaginären Gross-Serbiens, dem die serbischen Gebiete Montenegros, Mazedoniens und Kroatiens sowie Bosnien-Herzegowinas einverleibt werden sollten.

«Nicht genügend Beweise»

Richter Jean-Claude Antonetti hatte zur Begründung des Freispruchs gesagt, die Staatsanwaltschaft habe «nicht genügend Beweise» vorgelegt, dass Seselj die ihm vorgeworfenen Verbrechen tatsächlich begangen habe.

Seselj habe auch nicht die «hierarchische» Verantwortung für die paramilitärischen Kräfte in der serbischen Armee gehabt und könne für deren Verbrechen nicht belangt werden. Das Dossier der Staatsanwaltschaft sei zudem voller «Ungenauigkeiten».

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