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International «Sichere Migration heisst nicht automatisch mehr Migration»

Für Justizministerin Sommaruga ist es keineswegs selbstverständlich, dass sich die 193 UNO-Länder auf gemeinsame Prinzipien in der Flüchtlings- und Migrationspolitik einigen konnten. Es sei ein ein Versuch, die Krise möglichst auch zur Chance zu machen, sagt sie im Interview mit SRF News.

Die UNO hat am ersten Gipfeltreffen über Migration eine Erklärung verabschiedet, mit der der Schutz von Flüchtlingen und Migranten weltweit gestärkt werden soll. SRF News sprach mit Justizministerin Simonetta Sommaruga nach ihrem Auftritt vor der UNO-Vollversammlung, bei dem sie eine weiterhin fehlende gemeinsame europäische Asylpolitik kritisierte.

Sommaruga.
Legende: Bundesrätin Sommaruga in New York: Thema Migration ist definitiv auf der UNO-Agenda angekommen. Keystone

SRF News: Warum befasst sich die UNO gerade jetzt und warum erst jetzt mit der Problematik?

Simonetta Sommaruga: Wir haben zurzeit wahrscheinlich die grösste Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Es gibt immer zwei Möglichkeiten, entweder die Abschottung oder der Versuch, gemeinsam Lösungen zu finden. Die jetzt verabschiedete Deklaration ist der zweite Weg, der schwierig ist.

Die Stossrichtung der ganzen Deklaration ist es, die Migration als Chance zu sehen. Das sehen viele im Westen nicht so. Es gibt viele Migrationsskeptiker, sogar Migrationsfeinde. Es ist ja auch für Drittweltländer nicht unproblematisch, wenn sie ihre dynamischsten Kräfte an den Westen verlieren?

Migration ist immer und in allen Staaten umstritten. Gleichzeitig wissen wir alle, dass zum Beispiel die Schweiz ihre wirtschaftliche Entwicklung nur auch dank ausländischen Arbeitskräften so erfolgreich voranbringen konnte. Diese Deklaration möchte eben beides sehen – die Chancen, aber selbstverständlich auch die Probleme. Deshalb braucht es diese gemeinsame Anstrengung, damit diese Krise eben nicht nur eine Krise ist, sondern möglichst auch zu einer Chance werden kann.

Wer Migration sicherer macht, wer mehr Rechte gibt für Migranten, wer Migration erleichtert, verstärkt sie potenziell auch. Das ist etwas, das viele nicht wollen. Wie kann man die Inhalte der jetzigen UNO-Deklaration dem Heimpublikum verkaufen?

Ich glaube nicht, dass eine sicherere Migration automatisch zu mehr Migration führt. Umgekehrt muss man aber sagen, dass eine sicherere Migration das Schlepperwesen verhindert und so die ganze Kriminalität rund um die Migration vermieden wird. Das ist das, was man jetzt suchen muss: Legale Möglichkeiten im Wissen darum, dass Grenzen bestehen. Das war ja auch der Grund, weshalb man in der internationalen Staatengemeinschaft noch lange davor zurückgeschreckt, das Thema überhaupt anzusprechen, weil hier natürlich die Vorstellungen und die Interessen weit auseinandergehen.

Nun gibt es Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die sagen, die UNO sei viel zu wenig weit gegangen, man müsste noch viel mehr Rechte von Migranten klar festschreiben: Recht auf Schulbildung, Recht auf Sozialleistungen. Wie weit ist da die Schweiz bereit zu gehen?

Dass es Vorstellungen gibt, dass man noch viel weiter für die Rechte von Migranten geht, ist bekannt. In New York konnte man sich darauf einigen, dass es Schutz für die Flüchtlinge und auch für Migranten braucht, die in einer besonders verletzlichen Situation sind. Mehr konnte man hier nicht erwarten. Das ist auch nur ein erster Schritt.

Das Interview führte Fredy Gsteiger.

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