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International «Sie werden Steuern umgehen, solange es Steuern gibt»

US-Senator Carl Levin beendet nach 36 Jahren im Senat seine Politkarriere. Hierzulande bekannt wurde er als Schreck für die Schweizer Banken in Sachen Steuerflucht. Doch der 80-Jährige habe in seiner Arbeit stets Integrität bewiesen, sagen selbst seine Gegner.

In Zukunft haben in beiden Häusern des US-Parlaments die Republikaner klar das Sagen. Der US-Kongress hat heute seinen letzten Tag in der bisherigen Zusammensetzung – und viele altgediente Politiker treten ab. Einer davon ist Carl Levin. Nach 36 Jahren im Senat nimmt er den Hut.

US-Senator Carl Levin spricht
Legende: Trotz der Erscheinung eines «netten alten Schuhmachers» keine Angst vor der Wall Street: US-Senator Carl Levin. Keystone

In der Schweiz kennt man den 80-Jährigen als Quasi-Inquisitor des Bankgeheimnisses, etwa bei der Anhörung von Credit-Suisse-Chef Brady Dougan. «Wenn Sie in einem Land geschäften wollen, müssen Sie sich an die Gesetze dort halten. Sie können sich nicht hinter den Gesetzen ihres Hauptsitz-Landes verstecken. Geben Sie uns die Namen der Leute, denen Sie bei der Steuerflucht geholfen haben», forderte er einst den mächtigen CS-Chef auf.

Mit Überzeugung und Integrität

Doch der Demokrat aus Michigan hatte, bevor man ihn in der Schweiz kannte, bereits einen langen Kampf für Steuergerechtigkeit hinter sich. Unermüdlich setzte er sich gegen Steuerflucht und –betrug ein. Weggefährten, aber auch Gegner attestieren ihm vor allem zwei Dinge: Überzeugung und Integrität.

«Die Leute werden versuchen, Steuern zu umgehen, solange es Steuern gibt», sagte Levin gegenüber SRF-Korrespondent Arthur Honegger auf die Frage, wie es ohne ihn nun weitergehe. Dies zu verhindern, sieht er als Aufgabe des Parlaments: «Es braucht einen energischen Kongress, der versucht, Schlupflöcher zu schliessen.» Dass die Aufgabe eine mühsame, eine nie endend wollende sei, war ihm stets bewusst: «Es gibt hier keinen Anfang und kein Ende: Es ist eine andauernde Schlacht um Fairness.»

Keine Angst vor Apple & Co.

Senator Levin war mehr als ein Schreckgespenst für die Schweizer Banken. Weder fürchtete sich der jüdischstämmige Anwalt, der in Harvard studiert hatte, vor der Wall Street noch vor grossen amerikanischen Wirtschafts-Ikonen.

So zögerte er nicht, Apple öffentlich zu massregeln: «Die Apple-Chefs wollen, dass man über die Steuern spricht, die der Konzern bezahlt hat. Die wahre Frage sind aber die Milliarden, die er nicht bezahlt hat – dank Offshore-Strategien, die zur Steuervermeidung dienen. Schlicht und einfach.»

Weil der humorvolle Politiker seine Brille oft auf der Nasenspitze trägt, wurde er vom Satiriker Jon Stewart auch schon als «netter alter Schuhmacher» bezeichnet. Doch Levin zeigte immer Biss, wenn er ihn brauchte.

Carl Levin und John McCain tuscheln
Legende: Demokrat Carl Levin und sein republikanischer Kollege sowie privater Freund John McCain vor der Credit-Suisse-Anhörung. Reuters

Kritisch gegen US-Einsätze im Ausland

Nebst dem unermüdlichen Einsatz für Steuergerechtigkeit profilierte sich der umweltbewusste dreifache Vater als einflussreicher Armeepolitiker, der sich für eine vorsichtige Army-Strategie aussprach. Nach den Anschlägen vom 11. September unterstützte er zunächst zwar Präsident George W. Bush gegen die Al-Kaida, wurde aber immer kritischer.

Die Einsätze in Afghanistan und im Irak bezeichnete er als unverhältnismässig und kritisierte, dass die Regierung die Anschläge der Al-Kaida als Legitimation für jene Kriege benutzte. Auch setzte er sich für striktere Waffengesetze und für mehr Gelder für Bildung ein.

Vielen anderen Menschen im politischen Bereich ist Levin ein Vorbild mit Rückgrat und Haltung.«Er hat mir mehr beigebracht, als ich jemals sagen kann. Ich werde alles versuchen, um dem Ideal nachzueifern, das er uns vorgelebt hat», sagte beispielsweise die demokratische Senatorin aus Missouri, Claire McCaskill.

«Höchste Ehre, Mitbürger zu vertreten»

Nun geht der Politiker mit Herzblut in Pension. Er gehe nach all den Jahren ohne Frust, bekräftigte er. Ganz loslassen wird ihn das politische Leben wohl kaum: Er freue sich, über die Fortschritte des Senates zu lesen – während er mit seiner Frau Barbara am Lake Michigan sitze oder seinen Enkeln die Welt zeige.

In der Abschiedsrede vor dem Senat erklärte er, was ihm wichtig gewesen sei: «Die höchste Ehre, die jeder Bürger einer Demokratie erhalten kann, ist es, von den Mitbürgern gewählt zu werden, um sie zu vertreten – um ihr Treuhänder zu sein.»

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