Kurzzeitig steht der Welt ein Atomkrieg bevor. 1962 gipfelt die Kuba-Krise in einem martialischen Muskelspiel der Supermächte. Kremlchef Nikita Chruschtschow lenkt ein und bewahrt die Welt vor dem Schlimmsten. Seither sind Kuba und die USA das Lehrbuch-Beispiel eines erbitterten Nachbarschaftsstreits. Bis ziemlich genau vor zwei Jahren.
1. Ein nutzloser Streit macht wenig Sinn
Die Meinungen darüber, wie es jetzt zu diesem historischen Umdenken kam, driften auseinander. Je nach Herkunft der Experten. Ein eigener Blick hinter die Kulissen der Geschichte lässt aber durchaus Rückschlüsse zu:
Im Juli 2013 empfängt der Minister der revolutionären Streitkräfte Kubas den Generalstabschef der nordkoreanischen Armee. Leopoldo Cintra Frías und Kim Kyok-sik verstehen sich prächtig. Eine neue kubanisch-koreanische Allianz dürfte Obama nicht amüsiert haben.
Eine weitere Möglichkeit wäre die UNO-Resolution vom Oktober 2013. Zum 23. Mal verurteilt die UNO-Vollversammlung das Embargo der USA gegen Kuba. Möglicherweise ist Obama bei dieser Gelegenheit aufgefallen, wie unnütz der Konflikt für beide Seiten inzwischen geworden ist.
Oder dann ist der Gesinnungswandel dem unermüdlichen Wirken von Papst Franziskus zuzuschreiben. Laut Berichten aus dem Vatikan soll der Pontifex beide Staatsführer mehrfach direkt kontaktiert und auf sie eingewirkt haben.
2. Bloss nicht das Gesicht verlieren
Wer genau den ersten Schritt gemacht hat, wird wohl die nähere Geschichtsschreibung klären müssen. Aus Medienkreisen verlautet, die beiden Länder hätten bereits anfangs 2013 geheime Verhandlungen zur Beilegung des Streits aufgenommen.
3. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
Fest steht, in beiden Ländern versetzt die Nachricht vom neuen Versöhnungskurs die Gemüter in Wallungen – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Fast zeitgleich wenden sich die beiden Präsidenten im Dezember 2014 an ihre Bürger.
«Auf Kuba beenden wir eine Politik, die ihr Verfallsdatum lang überschritten hat», sagt Obama in seiner Rede zur Lage der Nation. Seither haben die beiden ihren Worten auch Taten folgen lassen.
Zunächst sah man die beiden Präsidenten Hände schütteln. An Mandelas Beerdigung im Dezember 2013. Zum ersten Mal seit 53 Jahren. Damals überschlugen sich die Kommentatoren mit blumigen Einschätzungen, wie dieses fast beiläufige 'Hallo' zu deuten sei.
Seit Mitte Januar dieses Jahres gelten nun aber eine Reihe von Reise- und Handelserleichterungen für Kuba, das seinerseits wiederum mehr als 50 politische Gefangene freilässt. Differenzen über den US-Stützpunkt Guantanamo, über das immer noch bestehende Handelsembargo gegen Kuba und schliesslich Streitigkeiten über Kubas Status als «Terror unterstützende Nation», müssen aber noch ausgeräumt werden.
4. Die Falken erklären Obama für verrückt
Die Welt ist grösstenteils entzückt über den frischen Wind aus Kuba. In Europa ist man froh, dass der grosse Bruder jenseits des Atlantiks seinen Würgegriff lockert und Kuba dadurch möglicherweise in die Lage versetzt, mit dem alten Kontinent wieder vermehrt lukrative Geschäfte zu tätigen.
Raul Castro selbst ist verhalten euphorisch und wertet Obamas Entgegenkommen zumindest als einen Schritt, der Anlass zur Hoffnung gebe.
Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon lobt die jetzigen Schritte als «sehr positiv». Und selbst Russland kann sich ein bisschen Anerkennung abringen. Die Bemühungen der USA seien ein Schritt in die richtige Richtung, sagt der russische Vize-Aussenminister Sergej Rjabkow.
Weniger Freude hat man in Obamas Heimat selber. Vor allem seine republikanischen Widersacher im Repräsentantenhaus möchten ihn auf seinem überraschend neuen Weg ins Straucheln bringen. Der Tenor: Ein ausser Rand und Band geratener Obama gibt für Castro fast alles auf und gewinnt dafür weder Zugeständnisse bei der Meinungsfreiheit, noch bei demokratischen Wahlen.
Der eingeschlagene Weg dürfte dennoch kaum mehr umkehrbar sein. Bereits für diesen Monat haben die beiden Präsidenten die Eröffnung regulärer Botschaften angekündigt. Spätestens dann ist die gemeinsame Geschichte von Kuba und der Schweiz zu Ende.
5. Die Rolle der Schweiz im Konflikt
Die Schweizer Diplomatie kennt die so genannten « Guten Dienste ». Diplomatische Hilfsangebote an Konflikt gebeutelte Nationen, um den Frieden anzukurbeln. Eines der Werkzeuge dieses Dienstes sind Schutzmandate. Diplomaten aus unseren Reihen vertreten die Interessen eines Drittstaates.
In diesem Fall hilft die Schweizer Diplomatie, die Interessen der USA in Kuba zu vertreten. Und umgekehrt. Will man den Willensbekundungen Obamas und Castros Glauben schenken, sollen diese Schweizer Dienste noch in diesem Jahr überflüssig werden.
6. Alle Diplomaten dürfen bleiben
Die Schweiz vertritt die Interessen der USA in Havanna seit 1961. Jene Havannas in Washington seit 1991. Es handelt sich dabei aber um Interessenssektionen. Das heisst, die Schweiz stellt vor allem die Infrastruktur in den jeweiligen Ländern zur Verfügung. In den Sektionen selbst aber arbeiten kaum Schweizer. Der Wegfall der Mandate wird also auf die Gesamtbeschäftigung des diplomatischen Corps kaum einen Einfluss haben.
7. 50 Jahre Streit – eine kurze Übersicht in Bildern
Die Gründe für den Ausbruch des Konflikts sind inzwischen zum historischen Allgemeinplatz geworden. Aber sehen Sie selber!