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International Spaniens Ministerpräsident widersteht feindlichem Sperrfeuer

Die Finanz-Machenschaften des früheren Volkspartei-Schatzmeisters Luis Bárcenas (PP) werden für Spaniens Ministerpräsident immer mehr zur Hypothek. Die Volksseele kocht. Mariano Rajoy bleibt gelassen. Wohl mit gutem Grund.

Es geht um illegale Parteispenden und Schwarzgeldzahlungen in Millionenhöhe. An Spitzenfunktionäre der spanischen Volkspartei (PP). Unter der Hand bezahlt von Unternehmern. Und das während fast 20 Jahren.

Gehaltszulagen aus illegalen Spenden

Seit Jahresbeginn kämpft Spaniens Ministerpräsident gegen die Vorwürfe, die Spaniens Medien gegen seine Volkspartei PP und ihren früheren Finanzverwalter Luis Bárcenas erheben. Mit Bárcenas heutiger Aussage vor dem Untersuchungsrichter gewinnt die Skandalspirale um die finanziellen Machenschaften der Regierungspartei Spaniens weiter an Fahrt.

Fünf Stunden im Verhör

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Ex-Finanzverwalter der spanischen Volkspartei PP Luis Bárcenas von hinten.
Legende: reuters

An der heutigen Anhörung vor dem Untersuchungsrichter belastet Ex-Finanzverwalter der spanischen Volkspartei PP Luis Bárcenas Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy. Ein der PP nahestehender Anwalt habe ihm eine halbe Million Euro angeboten, falls er vor der Justiz die Existenz schwarzer Kassen in der Partei bestreite, sagt Bárcenas.

Bárcenas sagte aus, dass er Rajoy im März 2010 insgesamt 25‘000 Euro in bar ausbezahlt habe. Die Schwarzgeldsumme sei in 500-Euro-Scheinen an den damaligen Oppositionsführer gegangen. Das Geld stammte demnach aus einer geheimen schwarzen Kasse.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur EFE unter Berufung auf Nebenkläger berichtete, will Bárcenas der PP-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal die gleiche Summe ausgezahlt haben.

Mariano Rajoy und seine Volkspartei blasen derweil zum Gegenangriff. Sie beschuldigen Bárcenas der Erpressung. Er versuche, den Schwarzen Peter weiterzureichen, in der Hoffnung, die Regierung erspare ihm so seine Verurteilung.

An Rücktritt denkt er nicht

Entsprechend gelassen zeigt sich Rajoy heute an einer Medienkonferenz zum Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen Donald Tusk in Madrid. Während den Journalisten ausnahmslos Fragen zum Skandal unter den Nägeln brennen, erörtert der Ministerpräsident die Prinzipien des Rechtsstaats.

«Der Rechtsstaat lässt sich nicht erpressen», betonte Rajoy, und an die Opposition mit ihren Rücktrittsforderungen gerichtet: «Ich werde mein Mandat erfüllen, das die Wähler mir anvertraut haben.» Man könne von einem Regierungschef nicht erwarten, dass er sich tagtäglich zu Andeutungen, Gerüchten und tendenziösen Berichten äussere, die irgendwo veröffentlicht würden, so Rajoy weiter.

«Rajoy wird den Skandal überleben»

Die Gelassenheit mag Zuversicht sein. Dahingehend, dass er, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, den Skandal überleben wird. Diese Ansicht teilt SRF-Korrespondent Markus Böhnisch, der sich zurzeit auf Gran Canaria aufhält.

Zum einen weil der Ministerpräsident mit einem feudalen absoluten Mehr regiert. Zum anderen aber, weil es auch der jetzt so vehement in den Rücktrittskanon einstimmenden Opposition an moralischem Kapital fehle. «Seine Gegner, die Sozialisten, sind selber durch Skandale geschwächt», erklärt Spanienkenner Böhnisch im Interview mit der Tagesschau.

Als grosse Verliererin identifiziert Böhnisch ohnehin nicht die Volkspartei. Auch sie wird durch den Skandal lediglich geschwächt. Was die moralische Schande angesichts der wütenden Bürgerproteste indes für Spaniens Parteienlandschaft bedeute, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden.

Katalonien im Genick

Ganz so unbeschwert dürfte Rajoys politische Zukunft dennoch nicht ausfallen. Landauf landab gäbe es zurzeit juristische Untersuchungen, sagt Bönisch. «Aber die politische Aufarbeitung des Skandals steht noch aus.» Ein weiterer Brocken erwartet Rajoy überdies im September nach der parlamentarischen Sommerpause.

Dann wird abermals die Unabhängigkeit Kataloniens ein heisses Thema in Spanien sein. Und da werde der Ministerpräsident ein weiteres Mal schwer unter Druck geraten, sagt Böhnisch.

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