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International Südafrika: Viel versprochen, nichts gehalten

Seit rund drei Wochen beherrschen fremdenfeindliche Ausschreitungen gegen schwarze Einwanderer Südfrika. Bislang wurden dabei mindestens sieben Menschen getötet. «Spiegel»-Korrespondent Grill spricht gegenüber SRF von «Verteilungskämpfen auf der untersten Ebene».

Wer ist schuld?

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Zulu-König Zwelithini hat die Verantwortung für die jüngsten fremdenfeindlichen Ausschreitungen zurückgewiesen. Wenn er tatsächlich zum Kampf aufgerufen hätte, dann würde jetzt Krieg herrschen, sagte er am Montag vor mehreren Tausend Zulus. Südafrika hat insgesamt rund 54 Millionen Einwohner (Zählung 2014), davon sind bis zu 8 Millionen Migranten.

Mindestens sieben Immigranten sind bei Ausschreitungen gegen afrikanische Einwanderer in Südafrika umgekommen, 300 Personen wurden verhaftet. Betroffen sind bislang vor allem die Städte Durban und Johannesburg. «Spiegel»-Korrespondent Bartholomäus Grill lebt in Kapstadt. Im Interview schildert er seine Eindrücke des Gewaltausbruchs.

SRF News: Gewalt gegen Migranten ist in Südafrika nichts Neues. 2008 kamen bei Unruhen über 60 Menschen ums Leben. Warum ist sie jetzt wieder aufgeflammt?

Bartholomäus Grill: Die Unruhen wurden vermutlich durch dumme Bemerkungen des Zulu-Königs Goodwill Zwelithini ausgelöst. Er hat sich über die Kriminalität beschwert und dafür ausländische Afrikaner verantwortlich gemacht. Zugleich forderte er sie auf, ihre Koffer zu packen und zu gehen. Kurz darauf kam es in der Hafenstadt Durban zu den ersten Ausschreitungen.

Wie präsent sind denn die Migranten im südafrikanischen Alltag?

Hier in Kapstadt werden die meisten niedrigen Arbeiten von afrikanischen Migranten verrichtet. Die Taxifahrer kommen meist aus Simbabwe, die Gärtner aus Malawi, die Parkwächter aus dem Kongo, die Maskenhändler aus Senegal.

Kinder hinter Stacheldrahtzaun, im Hintergrund Zelte.
Legende: Viele Immigranten finden nach den Unruhen in Lagern Zuflucht, die vom Roten Kreuz errichtet wurden. Keystone

Kann man sagen, dass kaum mehr etwas funktionieren würde, wenn sie alle Südafrika verlassen würden?

Das stimmt. Und sie alle hier in Kapstadt fürchten, dass der Funke der Unruhen auch hierher überspringen könnte. Die Migranten sind tief enttäuscht von Südafrika und sagen: ‹Ausgerechnet dieses Land, das wir im Kampf gegen die Apartheid unterstützt haben, diskriminiert jetzt andere Schwarzafrikaner.› In Wahrheit steckt hinter den Ausschreitungen ja nicht Fremdenfeindlichkeit, denn die Weissen oder die Asiaten werden in Ruhe gelassen. Es sind ausschliesslich schwarze Ausländer, die angegriffen werden. Deshalb spricht man hier in Südafrika auch von ‹Afrophobie›.

Dieser Unmut gegenüber Migranten aus den Nachbarländern existiert schon lange in Südafrika. Was verbirgt sich dahinter?

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Es gibt nicht nur Wohlstandszonen im Norden, wie etwa Europa, in die Hunderttausende sogenannter Armutsflüchtlinge wollen, sondern es gibt sie auch im Süden. Südafrika ist im Vergleich zu anderen Ländern Afrikas eine reiche Gesellschaft und seit dem Ende der Apartheid 1994 sind schätzungsweise acht Millionen Afrikaner aus den umliegenden Ländern in Südafrika legal und illegal eingewandert. Im Vergleich mit Deutschland würde dies bedeuten, dass nach dem Fall der Mauer rund 16 Millionen Menschen eingewandert wären. Man stelle sich vor, was jetzt in Deutschland los wäre...

Was müsste die südafrikanische Regierung aus Ihrer Sicht unternehmen, um die Ausländerfeindlichkeit im Land zu bekämpfen?

Sie müsste vor allem besser regieren. In der Ausländerfeindlichkeit drückt sich ja auch eine tiefe Unzufriedenheit mit der eigenen Situation aus. Die Regierung hat den Menschen nach dem Ende der Apartheit ein besseres Leben versprochen, doch dieses ist bis jetzt nicht gekommen. In vielen Townships herrscht nach wie vor grosse Armut, staatliche Dienstleistungen gibt es keine. Es kommt deshalb auf der untersten sozialen Ebene zu Verteilungskämpfen, und dabei sind die Ausländer dann die Sündenböcke. Die Südafrikaner pflegen zu sagen: ‹Sie kommen hierher und nehmen uns die Jobs, die Häuser und unsere Frauen weg. Dabei stünde das uns zu, denn wir haben während der Apartheid genug gelitten. Jetzt ist es unsere Zeit, zu essen.›

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