«Symbol» heisst der Wagen treffend, der in Zukunft vom Fliessband des Montagewerks von Renault Algerien rollen wird. Symbol für den industriellen Fortschritt in Afrikas flächenmässig grösstem Land. Und was viele in Algerien freut: Das Land zieht mit dem ungeliebten Nachbarn Marokko gleich, der mit französischer Lizenz schon länger Personenautos produziert.
Algeriens Medien beobachten den Aufbau des ersten modernen Autowerks im eigenen Land seit Monaten aufmerksam. Weil es erstens zu einem wichtigen Baustein der nationalen Industrie werden soll – und zweitens schonungslos die Mängel vorführt, an denen Algeriens Industriepolitik seit Jahrzehnten leidet.
Grosse Abhängigkeit von Öl und Gas
Bereits unmittelbar nach der Unabhängigkeit in den Sechzigerjahren baute Algerien mit viel Geld aus dem Geschäft mit Öl und Gas eine eigene staatliche Industrie auf. Doch im Zuge der Wirtschaftskrise Ende der Achtziger Jahre musste Algerien diese unrentablen Staatsbetriebe unter dem Diktat des Währungsfonds liquidieren.
Seither wird im Inland nur noch wenig produziert. Das Land lebt weitgehend vom Geld aus dem Export von Öl und Gas und bezahlt damit die Importe aus dem Ausland. Nicht nur Industrieprodukte – selbst den Bedarf an Nahrungsmitteln kann die algerische Landwirtschaft nicht selber decken.
Neue Monteure bei Dacia ausgebildet
Das neue Autowerk in Oran soll eine Wende bringen – zumindest auf dem Automarkt. Vorerst kann das neue Werk nur für das Inland produzieren. Doch in einigen Jahren soll es Fahrzeuge «made in Algerien» auch ins Ausland exportiert können, heisst es bei Renault. Vorher muss das Unternehmen freilich noch ein Problem lösen, unter dem Algeriens Wirtschaft in den meisten Branchen leidet. Dem Mangel an qualifiziertem Personal.
Studierte Techniker gibt es zwar viele. Leute mit praktischer Erfahrung sind aber rar. Die neuen Mitarbeiter in seinem algerischen Montagewerk hat Renault darum bei der rumänischen Tochtergesellschaft Dacia ausbilden lassen. Künftig soll diese Schulung wenige Hundert Meter vom Werk entfernt erfolgen, in einem Bildungszentrum, das der algerische Staat mitfinanziert. Weil er hofft, dass rund um das Autowerk eine Zuliefer-Industrie entsteht, wo in einigen Jahren mehrere Tausend Algerier Arbeit finden.
Zehntausende von neuen Arbeitsplätzen verspricht Algeriens Regierung seit Jahren. Den Aufbau einer eigenen Industrie, die das Land und seine Wirtschaft aus der Abhängigkeit von Öl und Gas befreien soll.
Doch im neuen Autowerk, wo Algeriens erster Personenwagen gebaut wird, stehen vorerst bloss einige Hundert Monteure am Fliessband. Das Auto mit dem symbolträchtigen Namen bringt darum noch keine Wende in der nationalen Industriepolitik, bedeutet aber einen neuen Anlauf.