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ein junger mann mit nacktem oberkörper hält an einem umzug für einen schulabschluss eine syrische flagge in die luft
Legende: Die liberale Asylpolitik wird zwar von den meisten Schweden unterstützt, doch rechtsnationale Parteien erhalten Zulauf. Reuters

International «Syrer sind die beliebtesten Flüchtlinge»

Die Schweiz will ihre ersten 300 Kontingentsflüchtlinge aus Syrien aufnehmen. Viel weiter sind Schweden und Norwegen. Alleine in Schweden werden dieses Jahr 20'000 Syrerinnen und Syrer Zuflucht finden. Wie im Norden das Zusammenleben funktioniert, weiss Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann.

SRF News: Wieso ist der Norden bei der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen so viel grosszügiger als der Rest Europas?

Bruno Kaufmann

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Bruno Kaufmann lebt in Schweden und berichtet als freier Korrespondent für Radio SRF über die nordischen und baltischen Staaten. Der Politikwissenschaftler forscht ausserdem zu Fragen der modernen Demokratie.

Bruno Kaufmann: Alle nordeuropäischen Länder haben eine humanitäre Tradition. Sie engagieren sich weltweit in Einsätzen, die zum Ziel haben, den Frieden zu fördern. Hinzu kommt, dass sowohl Schweden wie auch Norwegen früher selbst Auswanderungsländer waren.

Wollen die Länder also etwas zurückgeben?

Ja, bestimmt. Und sie können es auch: Die Wirtschaft in Schweden und Norwegen läuft. Ausserdem gibt es viel Platz. Es herrscht nicht das Gefühl vor, dass man von Flüchtlingen überrannt wird.

Sind die syrischen Flüchtlinge in der Gesellschaft aber auch akzeptiert?

Die Syrerinnen und Syrier sind die beliebtesten Flüchtlinge. Viele sind gut ausgebildet, fleissig und sprechen verschiedene Sprachen. Die Akzeptanz ist auch historisch bedingt, mitunter wegen des früheren Ministerpräsidenten Olof Palme. Dieser hatte in den späten 1960er-Jahren in Schweden die offene Asylpolitik eingeführt. Seither lebt vor allem in Schweden eine grosse Diaspora von Syrerinnen und Syrern.

Und wie leben die syrischen Flüchtlinge?

In Schweden zieht es viele zu Bekannten und Verwandten. Eine grosse syrische Gemeinschaft gibt es zum Beispiel in Södertälje, südlich von Stockholm. Dort leben bereits rund 20'000. Teilweise haben sich in den Grossstädten aber ghettoähnliche Zustände entwickelt. In den Plattenbauten von Stockholm, Göteborg und Malmö gibt es Jugendbanden, die gewalttätig sind. Aber das ist ein Problem der sozialen Struktur in diesen Gebieten und kann nicht alleine auf syrische Flüchtlinge zurückgeführt werden.

Wie sieht es auf dem Land aus?

Dort sind die Flüchtlinge meines Erachtens gut integriert. Sie müssen sich in den kleinräumigen Gegenden fast zwangsweise integrieren. Sie tun dies, indem sie zum Beispiel im lokalen Fussballverein spielen. Ausserdem sind viele Gemeinden auf dem Land froh über die Zuzüger. Lange klagten man dort über den Bevölkerungsschwund. Die Flüchtlinge sind nun willkommene Arbeitskräfte.

Verdienen die Flüchtlinge also ihren eigenen Lebensunterhalt?

Ja, in Schweden dürfen sie ab dem zweiten Tag bereits arbeiten. Viele sind gefragte Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, ausserdem stammen viele Taxifahrer aus Syrien. Ein Grossteil arbeitet auch in kleinen Familiengeschäften, die Lebensmittel verkaufen. Diese Stellen sind zwar nicht so gut bezahlt, aber stark nachgefragt.

In den letzten Monaten haben aber sowohl in Schweden als auch in Norwegen ausländerfeindliche Parteien starken Zulauf erhalten.

Das liegt nicht so sehr an den Kriegsflüchtlingen aus Syrien, sondern eher an den Wirtschaftsflüchtlingen aus Nord- und Zentralafrika. Die Zunahme dieser Flüchtlinge, die man ja auch in der Schweiz registriert, treibt weniger gut bemittelte Schwedinnen und Norweger in die Arme der rechten Parteien, wie zum Beispiel den Schwedendemokraten.

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Das Zusammenleben der verschiedenen Gemeinschaften funktioniert also nur bedingt?

Sagen wir es so: Das Zusammenleben funktioniert, solange es keine offenen Konflikte gibt. Aber angesichts der vielen Flüchtlinge – nicht nur aus Syrien – rumort es auch im Norden.

Das Gespräch führte Thomas Zuberbühler.

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