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International «Syrische Opposition sieht sich allein gelassen»

Eine Rückkehr der syrischen Opposition an den Verhandlungstisch in Genf zeichnet sich nicht ab. In Istanbul forderten ihre Vertreter erneut ein Ende der Bomben auf Zivilisten durch das Assad-Regime und Verbündete. Die Opposition sehe sich allein gelassen, sagt Korrespondent Philipp Scholkmann.

Das Ringen um eine Waffenruhe für Syrien geht weiter. US-Aussenminister John Kerry rief Russland in der Nacht zum Montag in Genf auf, sich dafür einzusetzen. Doch wenn nun wieder verhandelt wird, fehlt mit der Syrischen National-Koalition als grösster syrischer Oppositionsgruppe ein wichter Player. Übers Wochenende beriet die Koalition der Revolutions- und Oppositionskräfte in Istanbul.

SRF News: Unter welchen Bedingungen wäre die Opposition bereit, bei einer Waffenruhe mitzumachen?

Philipp Scholkmann: Wenn das Assad-Regime und seine russischen und iranischen Verbündeten die Waffen auch schweigen lassen. Und zwar überall, auch in Aleppo. Dann würde die Opposition wieder zur Waffenruhe zurückkehren. Dies machten Spitzen der National-Koalition an der Konferenz in Istanbul nochmals ganz klar. Sie drängten die USA, nun direkt bei den Russen Druck zu machen.

Aleppo am 18. April 2016.
Legende: Aleppo: Keystone/Archiv

Das Problem der Syrischen National-Koalition ist natürlich, dass sie nur beschränkt Einfluss auf die Rebellen hat, die in Dutzende Untergruppen zerfallen ist, die nicht zwingend den Vorgaben des politischen Oppositionsbündnisses folgen. Am wenigsten die Dschihadisten. Die Erfahrung der letzten Wochen hat aber gezeigt, dass doch eine beachtliche Zahl von Rebellengruppen bereit wäre, bei einer Waffenruhe mitzumachen, wenn sie dafür einen Gegenwert sehen würden.

Die grösste syrische Opposition ist in Genf davongelaufen. Was fordert sie für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch?

Das humanitäre Dossier müsste eingehalten werden: Die Bombardierungen von Zivilisten durch das Assad-Regime und das Aushungern ganzer Stadtquartiere, wo sich die Rebellen verschanzen, müsste aufhören. Die Opposition verlangt zudem positive Signale vom Assad-Regime im Gefangenendossier, sprich die Freilassung von politischen Häftlingen.

Philipp Scholkmann

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Portrait von Philipp Scholkmann

Scholkmann ist Nahost-Korrespondent bei SRF. Er hat in Basel und Paris Geschichte und Philosophie studiert. Vor seiner Tätigkeit im Nahen Osten war er Korrespondent in Paris und Moderator bei «Echo der Zeit».

Das Regime in Damaskus ist mit russischer Unterstützung in der Offensive und die Opposition entsprechend unter Druck. Ist sie deshalb eher bereit zu Zugeständnissen?

Die Opposition bestreitet das. Assad versucht allerdings tatsächlich, seine neue militärische Stärke als politischen Trumpf auszuspielen. Man könne allenfalls über eine erweiterte Regierung mit Ministern aus der Opposition reden, lautet das Angebot aus Damaskus. Bei der Opposition in Istanbul wird das weiterhin als Affront zurückgewiesen. Die Koalition beharrt auf einer Übergangsordnung für Syrien mit vollen Kompetenzen und ohne Assad. Aber das Regime ist offensichtlich nicht bereit, sich darauf einzulassen. Wenn es von seinen Verbündeten Russland und Iran nicht dazu gezwungen wird, gibt es keine Aussicht, dass es seine Haltung ändert.

Assad und die Russen werfen der Opposition vor, sie mache gemeinsame Sache mit islamistischen Extremisten. Entsprechend würden in Aleppo nur Terroristen bekämpft. Was ist da dran?

Auch das bestreitet die Koalition. Sie betont, sie vertrete das syrische Volk, das sich gegen einen Diktator auflehne. Die Realität ist natürlich viel komplizierter: Einfluss auf die National-Koalition haben sunnitischen Regionalmächte wie die Türkei und Saudi-Arabien, die in Syrien ganz klar eigene Interessen verfolgen. Hier verweist die Koalition schulterzuckend darauf, dass Krieg herrscht. Man sei angewiesen auf Freunde, umso mehr, als ja auch Assad massiv von aussen unterstützt werde.

Auch was das Zweckbündnis der Opposition mit Al-Qaida oder den Salafisten von Ahrar al-Scham gerade auch im Raum Aleppo oder Idlib angeht, heisst es: Das sei nur vorübergehend und aus der Not des Krieges heraus entstanden. Mit einer politischen Lösung in Damaskus werde diesen Extremisten der Nährboden sofort entzogen. Dass die Opposition mit Scharia-Extremisten gemeinsame Sache macht, bringt sie natürlich permanent in Rechtfertigungsnot. Und sie liefert Assad sein Hauptargument, in Aleppo und anderswo würden nur Terroristen bekämpft.

Wie war die Stimmung an der Konferenz in Istanbul?

Sehr schlecht. Die Oppositionsvertreter haben den Eindruck, nicht gehört zu werden. Man verdächtigt die Staatengemeinschaft, dass sie sich mit Assad bereits abgefunden hat. Bei einem Blick auf die Karte mit den Frontlinien wird auch rasch klar, wie wenig militärische Druckmittel die Opposition noch hat.

Die gemässigteren Rebellen, die vorbehaltlos hinter der Syrischen National-Koalition stehen, sind dabei am stärksten in der Defensive. Sie drohen gerade in Aleppo zwischen verschiedenen Fronten regelrecht aufgerieben zu werden, wenn sie nicht plötzlich doch noch massive neue Waffenhilfe erhalten.

Das Gespräch führte Susanne Schmugge.

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