Australier werden 26mal häufiger von Polizei und Geheimdiensten abgehört als Bürger vergleichbarer Länder. Das Beispiel zeigt: Der australische Geheimdienst hat weitreichende Rechte. Dazu gehört auch, dass Menschen bei blossem Verdacht auf terroristische Absichten verhaftet und eingesperrt werden können.
Nach dem 11. September 2001 hat das Land «down under» seine Terror-Bekämpfung massgeblich verschärft. Sein damaliger konservativer Premierminister, John Howard, befand sich gerade in Washington, als die Flugzeuge ins World Trade Center in New York einschlugen. Er sagte dem damaligen US-Präsident George Bush sofort seine Unterstützung zu im Kampf gegen den Terror.
Im eigenen Land führte Howard einige der härtesten Antiterror-Gesetze der westlichen Welt ein. Innert kürzester Zeit stimmte das Parlament den Massnahmen zu, welche die Gefahr des Terrors in Australien reduzieren und kontrollieren sollten.
Diese Gesetze sind nun Gegenstand von zwei Kommissionsberichten. Beide kommen zum Schluss: Die weitreichenden Vollmachten, die Geheimdienste und Polizei nach dem 11. September erhalten haben, schiessen über das Ziel hinaus.
Antiterror-Gesetze und Bürgerrechte
Es gehe um die Frage, ob die Antiterrorismus-Gesetze wirklich notwendig seien, sagt Nicola McGarrity, Rechtsdozentin an der Universität von New South Wales in Sydney. Ob sie wirksam seien, und ob sie in einem Verhältnis zu den Bürgerrechten stünden.
Genau an diesem Punkt hapert es, sagen Kritiker. Der australische Geheimdienst Asio habe Rechte, die so weit gingen, dass sie an Gesetze in einem totalitären Staat erinnerten. So kann jemand präventiv für 14 Tage verhaftet werden, ohne dass er vor den Untersuchungsrichter muss, ohne Angabe von Gründen. Telefone abzuhören und E-Mails sogenannter Verdächtiger zu lesen – das ist tägliche Routine für die wachsende Zahl von Asio-Agenten.
15 Jahre Gefängnis für den Besitz eines «Terror-Gegenstandes»
Wer «einen Gegenstand besitzt» – so die Formulierung –, der mit einer terroristischen Tat in Verbindung gebracht werden kann, dem drohen 15 Jahre Gefängnis.
Ganz besonders umstritten aber sind sogenannte Kontroll-Befehle: Die Regierung kann via Geheimdienst oder Bundespolizei buchstäblich jeden Aspekt des Lebens eines Bürgers regulieren, bestimmen, vorschreiben. Also wo er oder sie wohnt, arbeitet, und mit wem eine Person sprechen darf. Der Geheimdienst kann eine jemanden auch zu Hausarrest verdingen. Ohne richterlichen Beschluss. Dem Betroffenen muss keine Schuld und kein Vergehen nachgewiesen werden.
Definitionen notwendig
Beide Untersuchungsberichte, die nun dem Parlament vorliegen, kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen, sagt die Rechtsexpertin Nicola McGarrity. Zuerst einmal müsse definiert werden was ein Akt des Terrorismus sei. Im Weiteren gehe es darum, Drohungen von Taten zu unterscheiden.
Australien ist bisher von einem grossen Terrorakt verschont geblieben. Vier Anschläge sollen laut dem Geheimdienst verhindert worden sein.
Auch wenn die sozialdemokratische Regierung von Premierministerin Julia Gillard Reformen will – man kann davon ausgehen, dass vor den Wahlen am 14. September in der Sache kaum etwas geschehen wird. Denn weder die Sozialdemokraten noch die Konservativen wollen in den Medien dargestellt werden, als ob sie sie gegenüber Terroristen «weich» seien.
«Angst vor Terrorismus» eine beliebte Waffe von Politikern
Ausserdem ist die «Angst vor Terrorismus» eine beliebte und bewährte Waffe im Arsenal der Politiker. Immer wieder ziehen vor allem die Konservativen Parallelen zwischen Terroristen und Asylsuchenden. Nie direkt, aber subtil. So wisse man nicht, ob sich unter den Bootsflüchtlingen, die in diesen Monaten an der australischen Küste abgefangen werden, nicht auch Terroristen befänden.
Ein kompletter Unsinn, sagen Menschenrechtsorganisationen. Das letzte, was ein Terrorist tun würde, sei als Asylsuchender in ein Land zu kommen, das unter den westlichen Staaten am härtesten ist im Umgang mit Flüchtlingen. In ein Land, wo er erst einmal Monate lang in ein Internierungslager gesperrt werde.
(buev;lin)