Thailand: Über die Militärjunta zu Wohlstand und Stabilität?
In Thailand hat Junta-Chef Prayuth Chan-ocha im Fernsehen Bilanz gezogen. Sein Fazit, elf Monate nach dem Militärputsch: Frieden und Ordnung sind wieder hergestellt und überall gehts vorwärts, selbst mit der neuen Verfassung.
Nicht alle in Thailand sehen das so rosig. Nicht die Anhänger der letztes Jahr gestürzten Thaksinisten – aber auch nicht alle von deren politischen Gegnern. Ein prominentes Beispiel dafür ist Abhisit Vejjajiva, Ex-Ministerpräsident und Chef der Democrat Party, die zum royalistischen Establishment in Thailand gehört.
Reformen nur auf dem Zeichenbrett?
«Elf Monate danach, denke ich, fühlen die Leute, dass es friedlicher geworden ist, auch wenn sie natürlich spüren, dass es unter der Oberfläche immer noch Spannungen gibt. Und für ein Urteil über allfällige Reformen ist es noch zu früh,» so Abhisit im Parteihauptquartier in Bangkok.
Abhisit sagt, die Juntageneräle hätten zwar durchaus ein paar Erfolge vorzuweisen, beim Durchgreifen gegen Mafiabanden, gegen die manchmal chaotischen Zustände an den Badestränden und auch gegen das illegale Glücksspiel.
«In meinen Augen sind das aber noch keine Reformen. Die wichtigen Reformen, die die Leute erwarten, beim politischen System, bei der Erziehung, die Dezentralisierung der Verwaltung – die scheinen alle immer noch nur auf dem Zeichenbrett zu bestehen.»
Wirtschaftlicher Einbruch nach dem Putsch
Das tönt sehr ähnlich wie das was auch Pi Dam, ein Rothemd, also ein Anhänger der gestürzten Thaksinisten-Regierung, über Juntachef Prayudhs Worte gegenüber SRF sagt: «Gar nichts ist besser geworden. Dem Volk geht es heute schlechter als zuvor. Hier etwas pützeln, dort etwas Ordnung schaffen, das bringt uns doch gar nichts!»
Tatsächlich stellt auch Demokratenführer Abhisit fest, dass die grosse Mehrheit der Bevölkerung heute wirtschaftlich schlechter da steht als vor dem Putsch, viel schlechter – und sieht darin eines der grössten Probleme: «Es müsste dringend Wirtschaftswachstum geschaffen werden,» sagt Abhisit. Denn die Kaufkraft der Leute sei massiv eingebrochen, vor allem bei der Bauernschaft. Und das habe die gesamte Volkswirtschaft geschwächt.
Angesichts der Weltwirtschaftslage seien für das traditionell exportorientierte Thailand von Aussen keine positiven Impulse zu erwarten, man müsse also im Inland selber etwas tun. Denn das Einbrechen der Wirtschaft kombiniert mit rapide gestiegener Verschuldung der Privathaushalte sei besorgniserregend.
Seltsam bekannte Medizin für die Wirtschaft
Die «Medizin» sei eigentlich klar, sagt Abhisit: «Man muss dafür sorgen, dass die Kaufkraft der Leute steigt. Aber meiner Ansicht nach ist die Regierung da etwas zu konservativ.» Sie mache zu wenig, um die Konjunktur anzukurbeln, und setze auf staatliche Projekte, statt dafür zu sorgen, dass die Leute mehr Geld in der Tasche hätten, moniert der ehemalige Premier.
Doch damit klingt Abhisit fast genau wie früher Thaksin Shinawat und später seine Schwester Yingluck Shinawatra. Mit massiven Subventionen die Kaufkraft der Bauern stärken, damit die Wirtschaft ankurbeln und sich gleichzeitig die Dankbarkeit und die Stimmen der aus der Armut Befreiten zu sichern. Genau das aber passte ja der Elite nicht und deshalb wird Yingluck sogar demnächst der Prozess gemacht.
Doch auf diesen Einwurf hin bricht bei Abhisit sofort wieder der langjährige parlamentarische Gegenspieler der Geschwister Shinawatra durch: «Die letzte Regierung kümmerte sich schlicht nicht um die Nachhaltigkeit ihrer Politik. Zudem war diese mit massiver Korruption verbunden. Das ist es, wofür sich die Ex-Regierungschefin vor Gericht verantworten muss!»
Das Letzte was Thailand und die Bevölkerung wollen, ist eine weitere Rückkehr zum alten Kreislauf von Gewalt, Protesten und erneutem Putsch.
Neben der Wirtschaft gibt es aber noch eine andere Sorge, die Abhisit plagt – die neue Verfassung, die die Junta durchboxen will. Ziemlich undemokratische Punkte darin liessen ihn daran zweifeln, dass die Verfassung breite Akzeptanz in der Bevölkerung finden werde. Zwar gäbe es eigentlich einen Weg, der jedem Demokraten einleuchte, sagt Abhisit: «Ein Mittel, um das richtig hinzukriegen, wäre ein Referendum. Allerdings wissen wir bisher noch nicht einmal, ob die Junta-Regierung dazu bereit ist, zur Verfassung ein Referendum abzuhalten.»
Die neue Verfassung ohne Volksbefragung, einfach per Dekret in Kraft zu setzen, wäre für Abhisit eine verpasste Chance und eine Gefahr: «Ich glaube nicht, dass Thailand die nächsten zwei, drei, vier Jahre erneut über die Verfassung streiten will. Das wird jetzt bereits unsere zwanzigste sein in weniger als 90 Jahren,» lacht Abhisit etwas bitter. Und fügt dann warnend an: «Das Letzte was Thailand und die Bevölkerung wollten, sei eine weitere Rückkehr zum alten Kreislauf von Gewalt, Protesten und erneutem Putsch.»