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International Thailands neue Verfassung stützt das Militär

Seit dem Putsch kontrolliert das thailändische Militär das Land. Eigentlich könnte das Volk mit einem Nein zum Referendum über die neue Verfassung wieder demokratische Strukturen einführen. Doch wer sich dafür engagiert, wird verhaftet.

Thailand vor der Abstimmung über die neue Verfassung

Am 7. August können die Thailänder über eine neue Verfassung abstimmen. Es ist das erste Mal, dass sie nach dem Putsch vor zwei Jahren von der Militärregierung an die Urnen gerufen werden. Das Problem ist: Die Verfassung stärkt die Macht des Militärs, doch das weiss kaum jemand, weil die Regierung jede kritische Diskussion verbietet. 13 Aktivisten haben das Verbot ignoriert. Vor zwei Wochen verteilten sie Flugblätter mit der Aufforderung, Nein zu stimmen. Sie wurden verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Am Dienstag standen sie vor dem Militärgericht in Bangkok.

«Wir haben das Recht zu protestieren! Wir verstossen gegen kein Gesetz!», ruft eine kleine Gruppe von Demonstranten. Sie stehen vor dem Militärgericht in Bangkok mit Postern und ziemlich viel Wut im Bauch. Ein Polizist fotografiert die Demonstranten, ein anderer fordert sie bald auf, zu schweigen. Auf den Postern sind die Fotos von 13 Aktivisten abgebildet, die dem Militärgericht vorgeführt werden.

Beim Flugblätter verteilen abgeführt

Der 25-jährige Student Rackchart Wong-Arthichart ist einer von ihnen. Er war stiller Beobachter, als seine Freunde vor zwei Wochen auf einem Markt am Rande von Bangkok Flugblätter und ihr Magazin verteilten. Trotzdem wurde auch er abgeführt: «Die Frontseite unseres Magazins zeigt Prayut, den Chef der Militärjunta, mit einem Hitlerschnauz. Auf einem der Flugblätter stand: Zwei Jahre Militärdiktatur für nichts!»

Auf dem anderen hatten die Aktivisten sieben Gründe aufgelistet, wieso man Nein zur Verfassung stimmen solle. «Meine Freunde hatten alle T-Shirts an, auf denen ein grosses Nein aufgedruckt war. Die Polizei nahm uns fest. Sie sagte, es sei verboten, andere dazu aufzufordern, Nein zu stimmen.»

Tatsächlich hat die Militärregierung im Vorfeld des Verfassungs-Referendums eine neue Verordnung erlassen. Darin steht, dass jeder, der eine Meinung zur Verfassung äussert oder die Wähler dazu auffordert, nicht zu wählen, mit einer Strafe von bis zu zehn Jahren Haft rechnen muss. Zudem sind laut der thailändischen Militärregierung politische Versammlungen von mehr als fünf Personen verboten. Beides wurde den 13 Aktivisten zum Verhängnis.

TV-Sender von Militärregierung geschlossen

«Hier geht es um Politik. Am 7. August sollen wir alle über die Verfassung abstimmen, deshalb will uns die Militärregierung zum Schweigen bringen», sagt der Student Rackchart. Das Militärgericht lässt zwar nach den Verhandlungen alle Aktivisten laufen, aber der Prozess wird in den kommenden Wochen weitergeführt.

Ebenfalls diese Woche hat die Militärregierung den Fernsehsender PeaceTV vorübergehend geschlossen. Dies mit der Begründung, er verbreite Unwahrheiten und wiegele auf. Der Sender wird von Kritikern der Militärregierung geführt. Dass auch dieser Entscheid politisch motiviert ist, liegt nahe.

Nun sollen die Thailänder im August über eine Verfassung abstimmen, über die nicht diskutiert werden darf. Zwar erhält jeder Haushalt ein Exemplar vom Text. Aber die Verfassung ist eine der längsten und kompliziersten der Welt. Es wird schwierig sein, zu verstehen, was sie für das Land bedeutet.

Anwalt: «Die Verfassung bedeutet nichts Gutes»

Die Verfassung bedeute nichts Gutes, glaubt der Anwalt Sam Zarifi. Er ist Direktor der International Commission of Jurists in Asien, einer Menschenrechtsorganisation, die auf Recht spezialisiert ist. Die Organisation hat den thailändischen Verfassungstext auf Englisch übersetzt: «Das ist keine Verfassung, die auf gegenseitiger Kontrolle und Gewaltenteilung basiert. Das ist eine Verfassung, die der Armee die totale Kontrolle gibt.»

So wählt das Militär die 250 Mitglieder des Senats, des thailändischen Oberhauses. Die Generäle behalten den direkten Einfluss auf die Wahl des Ministerpräsidenten. Zudem sind sechs Plätze im Senat für Armeevertreter reserviert. Die grossen Parteien werden wegen des komplizierten Wahlverfahrens nur noch eine schwache Rolle spielen.

Zarifi nennt das einen permanenten Staatsstreich: «Die Armee legalisiert ihre Macht durch die Verfassung. Putschs sind so nicht mehr nötig, weil die Armee die Macht weiterhin in den Händen halten wird.»

In Bevölkerung herrscht Klima der Unsicherheit

Ob sie damit am 7. August beim Volk Erfolg haben wird, ist nicht klar. Wählerumfragen gibt es nicht. Wieso einige Thailänder der Aufforderung der Militärregierung folgen und Ja stimmen werden, zeigt sich bei einer kleinen Befragung an einer Metrostation in Bangkok: «Ich will nicht, dass die politischen Konflikte der Vergangenheit hier wieder beginnen. Die Regierung erlaubt uns zu wählen, da sollten wir ihrer Aufforderung folgen und Ja stimmen. Das ist besser für unser Land», sagt ein Passant.

Die politischen Wirren der Vergangenheit und ein Dutzend Militärputschs zeigen, wie fragil das Land ist. Wird der Verfassungsentwurf angenommen, ist das bereits die 20. Verfassung, die das Land seit 1932, dem Beginn der konstitutionellen Monarchie, bekommen würde. Viele Thailänder fürchteten sich zudem davor, was passieren werde, wenn der beliebte, aber bereits 88-jährige und kranke König sterbe, gibt Anwalt Zarifi zu bedenken. In diesem Klima der Unsicherheit ist einigen eine starke Armee willkommen.

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