Timbuktu feiert französische Soldaten
In Timbuktu fehlt es an allem: an Nahrungsmitteln, an Medikamenten. Das sagte der Bürgermeister der Wüstenstadt, Hallé Ousmane Cisse, vor wenigen Tagen in Bamako in einem Gespräch mit Schweizer Radio SRF.
Anfangs Jahr habe er deshalb die Stadt verlassen, um Hilfe zu organisieren, sagte Cisse. Die Situation sei unerträglich geworden, sagt er und erklärt es anhand eines Beispiels: Wenn ein verlobtes Paar mit einem Kind gesteinigt werde, nur weil es nicht verheiratet sei, dann frage er sich: «In welchem Land leben wir, welche Religion erlaubt so etwas?»
Unheilige Allianzen
Auch wenn die französisch-afrikanischen Truppen nun offenbar Timbuktu erobert haben, sind die Gotteskrieger nicht verschwunden. Sie haben sich in die weite Wüste zurückgezogen.
Zurückgelassen haben sie nicht nur Minen, sondern auch Zwietracht. In den vergangenen neun Monaten kam es im Norden Malis zu unheiligen Allianzen zwischen Separatisten, Banditen und Gotteskriegern. Einzelne Tuareg, welche seit 50 Jahren regelmässig ihre Unabhängigkeit fordern, verbündeten sich zeitweise mit den Islamisten.
Jetzt kommt die Rache. Es wird von Folterungen und aussergerichtlichen Erschiessungen von Tuareg und anderen Kollaborateuren berichtet.
«Tuaregs sind keine Terroristen»
Der Vorsitzende der gewählten Respektpersonen, Humeini Belko, rief bereits vergangene Woche zur Versöhnung auf.
Nach Ausbruch der Rebellion habe es geheissen, die Tuareg und die Islamisten würden gemeinsame Sache machen. «Aber wir, die vor Ort leben, wissen, dass die Mehrheit der Tuareg die Waffen nie erhoben hat.» Tuareg seien nicht einfach Terroristen, so wenig wie die Araber. Es seien nur wenige, ist Belko überzeugt. Die Leute im Norden Malis als Terroristen zu bezeichnen sei deshalb inakzeptabel.
Auch Hallé Ousmane Cisse, Bürgermeister von Timbuktu ist eine gewählte Respektperson. Er sagt, ein richtiger Muslim erhebe nie die Waffe gegen einen anderen Muslim. «Ich habe kein Recht jemanden zu schlagen, sein Eigentum zu zerstören oder gar zu töten,. nur weil sein Bruder ein Islamist ist und seine Waffen gegen uns erhoben hat.»
Bald wieder Friede und Harmonie?
Mali ist ein Flickenteppich aus 30 Ethnien und ebensovielen Sprachen. Im Land kam es immer wieder zu separatistischen Aufständen, aber nie zu einem Religionskrieg. Die Religion sei nur ein Deckmantel für Drogenhändler, verblendete Gotteskrieger und Entführer, um ungestört ihren Geschäften nachzugehen, ist der Bürgermeister überzeugt.
Es gelte diese wahren Feinde zu isolieren und zur Rechenschaft zu ziehen. Dann brauche es Wahlen. Ein Putsch in der Hauptstadt im vergangenen Frühling habe den dramatischen Vormarsch überhaupt erst ermöglicht. In einem Jahr herrsche in seinem Land wieder Frieden, glaubt Hallè Ousmane Cisse. Dann werde wieder alles friedlich in harmonisch sein. Die Malier seien ein sehr tolerantes Volk. Es habe Muslime, aber auch Christen oder Naturreligionen. «Alle leben zusammen, machen ihre Arbeit – Friede sei mit allen.»
Zum Abschied überreichte der Bürgermeister dem Korrespondenten aus der Schweiz eine Visitenkarte mit der Einladung, ihn bald in Timbuktu zu besuchen. Auf der Karte die malische Flagge. Darunter der Wahlspruch des Landes, der zur Euphorie des Magistraten passt, aber weniger zur aktuellen Situation: Ein Volk, ein Ziel, ein Glaube. (luek)