Anna Grodzka hat in den letzten Jahren viel erlebt. 2009 hiess sie noch Krzysztof Ryszard, war Familienvater und arbeitete als Leiterin einer Selbsthilfe-Organisation.
Ein Jahr später bestätigte ein polnisches Gericht: Anna ist eine Frau, geboren in einem männlichen Körper. 2011 wurde die 58jährige für die anti-klerikale Links-Partei Ruch Palikot (RP) zur Parlamentsabgeordneten gewählt.
Viele hielten dies anfangs für einen Gag des als Politclown berüchtigten Gründers der Ruch Palikot, Janusz Palikot. Doch es war keiner.
Hass und Häme für Grodzka
Ihre Wahl sei als Zeichen der Öffnung zu verstehen, erklärt Grodzka im Interview mit SRF-Osteuropa-Korrespondent Marc Lehmann. Denn selbstverständlich ist die Wahl einer Transsexuellen im katholischen Polen nicht. Eben gerade verwarf das Parlament ein Partnerschaftsgesetz. Es hätte die Rechte von homosexuellen Paaren verbessert.
Aus der rechtskonservativen Ecke schlägt Grodzka zudem immer wieder Hass und Häme entgegen. Manche Abgeordnete sprechen sie mit «Herr Kollege» an, um ihr die Weiblichkeit abzusprechen.
Vor allem Krystyna Pawlowicz, Abgeordnete der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), tut sich mit giftigen Bemerkungen hervor. In der Debatte über das Partnerschaftsgesetz hatte die Abgeordnete homosexuellen Paaren einen besseren rechtlichen Status verweigert. Ihre Begründung: sie leisteten keinen Beitrag zur Zukunft der Gesellschaft. Sie lebten «wider die Natur». Grodzka habe zudem «das Gesicht eines Boxers». Für ihre markigen Sprüche wird Pawlowicz seitdem sowohl mit Zuspruch als auch mit beissender Kritik überschüttet.
«Politiker sind kein Abbild der Gesellschaft»
Kollegin Grodzka lässt sich von solchen Sprüchen nicht provozieren. Im Interview mit dem SRF-Korrespondenten sagt sie: die Politiker seien kein Abbild der Gesellschaft, sondern bloss eigenen Interessen verpflichtet.
Die Gesellschaft sei da toleranter. Sie verstehe ihre Präsenz auf der Polit-Bühne vor allem als Mission. Sie wolle zeigen, dass alle Menschen gleich seien und die gleichen Chancen bekommen sollten.
Zu einer Entscheidung kommt es frühestens in zwei Wochen. Ihre Wahlchancen werden als nicht allzu hoch eingeschätzt. Doch allein schon ihre Kandidatur – bis vor kurzem undenkbar – zeigt, dass Polen im Umbruch ist.