In Tschechien geht die Ära von Präsident Václav Klaus zu Ende. Am Freitag und Samstag sind die Tschechen erstmals zur Direktwahl ihres Staatsoberhaupts aufgerufen.
Rund 8,4 Millionen Wahlberechtigte entscheiden im EU-Land über den Nachfolger des 71jährigen Klaus. Nach zwei fünfjährigen Amtszeiten darf er nicht erneut antreten.
Kein Favorit in Sicht
Das Rennen um den Posten ist Umfragen zufolge völlig offen. Wahrscheinlich ist: Der nächste Präsident Tschechiens wird europafreundlicher sein als Klaus. Vermutlich kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden früheren Ministerpräsidenten Miloš Zeman und Jan Fischer kommt.
Zeman stand von 1998 bis 2002 an der Spitze des Kabinetts, Fischer von 2009 bis 2010. Während Fischer als unabhängiger Kandidat antritt, wird Zeman von der linksgerichteten SPOZ-Partei unterstützt – einer Splittergruppe der Sozialdemokraten, die er früher einmal anführte.
Debatte ohne Sieger
Laut Wahlexperten sticht keiner der neun zugelassenen Kandidaten besonders hervor. Bei der letzten Wahlsendung vom Donnerstag konnte niemand wesentlich punkten. So titelt das meistgelesene Newsportal «iDNES.cz»: «Die Schlussdebatte brachte keinen Sieger hervor.»
Am meisten Mühe soll Ex-Premier Zeman in der Sendung gehabt haben. Und so kommentiert das Magazin «Týden» in seiner Online-Ausgabe auch lakonisch, Zemans zehnjährige Abwesenheit in den böhmischen Wäldern habe dem früheren Premier den Schwung genommen.
Logopädie-Unterricht versprochen
Auch der jetzige Aussenminister Karel Schwarzenberg hat Chancen. Der Kopf einer böhmisch-fränkischen Adelsfamilie mit Schweizer Bürgerschaft könnte noch für eine Überraschung sorgen. «Der Fürst», wie er genannt wird, erlaubte sich aber auch zahlreiche faux-pas. So ist auf der Prager Burg schon seit langem bekannt, dass sich Schwarzenberg bei langen Parlamentsdebatten ein Nickerchen gönnt.
Auch sein Lispeln ist oft Gegenstand der tschechischen Satire. Immerhin hat der Adlige im öffentlich-rechtlichen Radio versprochen, dass er bei einer Wahl logopädischen Unterricht nehmen wird.
Angst um Grundschüler
Die wohl farbigste Kandidatur legt der volltätowierte Künstler und Schriftsteller Vladimir Franz ab. Der Intellektuelle folgte dem Ruf einer Unterstützer-Gruppe auf Facebook. Als promovierter Jurist bringt Franz Sachkenntnisse mit.
Meinungsforscher trauen dem 53jährigen Prager Unikum einen Achtungserfolg zu. In der Prager Staatsoper feiert unterdessen seine Adaption von Karel Čapeks «Der Krieg mit den Molchen» Premiere.
Im Web kursiert aber die Befürchtung, dass bei einer Wahl von Franz die Grundschüler an ihrem ersten Schultag einen Schock davontragen. In Tschechien gehört es nämlich dazu, ein Porträt des amtierenden Präsidenten in den Schulzimmern aufzuhängen. Bei so einem volltätowierten Gesicht haben viele Eltern Angst davor. Immerhin hat Franz versprochen, mindestens eine Präsidentenrede in Versform vorzutragen, wie «Týden» berichtet.
Die Ära Klaus – kein Ruhmesblatt
In Tschechien nimmt der Präsident überwiegend repräsentative Aufgaben wahr. Er ist das Gesicht des Euro-Landes im Ausland, ernennt den Ministerpräsidenten und das Direktorium der Zentralbank sowie Verfassungsrichter. Der Respekt der zehn Millionen Tschechen ist ihm im allgemeinen sicher.
Klaus, der im März abtritt, hatte den Posten vom gefeierten anti-kommunistischen Dissidenten Václav Havel übernommen.
Die Tschechen urteilen mehrheitlich schlecht über Klaus' Amtszeit. Der Präsident machte sich nach Ansicht verschiedener Medien mit zahlreichen Aussagen lächerlich. Sie nehmen dem vehementen Eurokritiker übel, dass er Tschechien in der EU sehr oft ins schiefe Licht brachte. Zudem war Klaus' Kugelschreiber-Affäre einfach peinlich: Er hat bei einer offiziellen Medienkonferenz einen Kugelschreiber mitgehen lassen.