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International Türkei: Erdogan lässt Unruhen niederknüppeln

Auch in der Nacht kam es in der Türkei wieder zu gewaltsamen Protesten gegen Ministerpräsident Erdogan. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, die Demonstranten kaperten einen Bagger. Der Premier räumt zwar Fehler ein, bekräftigt zugleich aber seinen politischen Kurs.

Proteste in der Türkei

Im Istanbuler Stadtteil Besiktas setzte die Polizei in der Nacht Tränengas und Wasserwerfer gegen Tausende Demonstranten ein, berichteten Aktivisten und türkische Medien. In dem Stadtteil befindet sich auch das Büro des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Zusammenstösse wurden auch aus anderen Bezirken der türkischen Metropole berichtet.

Proteste in Ankara und Izmir

Wie der Nachrichtensenders Al-Dschasira aus Besiktas berichtete, durchbrachen Demonstranten mit einem Bagger und mehreren Lastwagen eine Polizeiabsperrung in Richtung der Regierungsbüros. Allerdings seien sie kurze Zeit später von einem massiven Aufgebot der Sicherheitskräfte zurückgedrängt worden. Mehrere Demonstranten seien durch Tränengasgranaten verletzt worden.

Zusammenstössen zwischen Regierungsgegnern und der Polizei gab es auch in der Hauptstadt Ankara. Wie Al-Dschasira berichtete, ging die Polizei auch in Izmir, der drittgrössten türkischen Stadt, mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vor.

Ein Demonstrant sitzt mit zusammengebundenen Armen hinter vielen Polizisten in Izmir.
Legende: Wie hier in Izmir hat die Polizei in mehreren Städten fast 1000 Demonstranten vorübergehend festgenommen. Reuters

Hunderte festgenommen

Nach Angaben der Regierung wurden bei mehr als 90 Demonstrationen im ganzen Land insgesamt 939 Menschen festgenommen. Die Proteste der vergangenen Tage hatten sich am Streit um eine Parkanlage in Istanbul entzündet. Der Gezi-Park am Rande des Taksim-Platzes soll einem umstrittenen Bauprojekt weichen.

Rücktritt von Erdogan gefordert

Nachdem die Polizei ein Lager von Demonstranten gewaltsam geräumt hatte, kam es zu den schweren Ausschreitungen – zunächst in Istanbul, später griffen sie auch auf andere Städte über.

Das brutale Vorgehen der Polizei brachte das Fass zum Überlaufen: Quer durch die Partei, quer durch die Türkei protestieren die Leute gegen die zunehmend autoritäre Regierung Erdogans. Der Ministerpräsident versucht zwar die Wogen zu glätten – jedoch ohne Erfolg: Er muss weg, daran halten die Demonstranten fest.

Misshandlungen dokumentiert

Umstrittenes Bauprojekt

Box aufklappen Box zuklappen

Der Gezi-Park ist eine der letzten Grünflächen in der engeren Innenstadt von Istanbul und erstreckt sich vom Taksim-Platz bis zu einem Fünf-Sterne-Hotel. Auf dem Gelände stand früher ein osmanisches Kasernengebäude aus dem 18. Jahrhundert. Nun will die türkische Regierung das Gebäude originalgetreu wieder aufbauen lassen.

Am Samstag war es in mehreren Städten erneut zu Protesten gekommen. Die Polizei hatte offenbar Anweisung, sich vom Taksim-Platz zurückzuziehen. Daraufhin verschafften sich Zehntausende Zugang zu dem Platz.

Später am Abend kam es dann auch im Stadtteil Besiktas zu Auseinandersetzungen. Die Härte der Polizeieinsätze wurde international kritisiert. Im  Internet kursierten zahlreiche Videos, auf denen friedliche  Demonstranten von der Polizei misshandelt werden. Aktivisten berichteten auch, die Polizei habe auf kurze Distanz Tränengasgranaten auf die Körper der Demonstranten gefeuert und mehrere Menschen schwer verletzt. Die Demonstranten ihrerseits sollen einen Polizeiwagen in Brand gesteckt haben.

Erdogan: «Pfeffergas war ein Fehler»

Erdogan räumte am Samstag erstmals Fehler ein. «Der Einsatz von Pfeffergas durch die Sicherheitskräfte war ein Fehler. Nun gut. Ich habe das Innenministerium angeordnet, dies zu untersuchen», sagte der Regierungschef. Der Einsatz sei unangemessen hart gewesen.

Erdogan fügte aber hinzu, seine Regierung werde sich durch Strassenproteste nicht von ihrem Kurs abbringen lassen. Auch die Polizei werde ihren Einsatz fortsetzen.

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