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Russland/Türkei.
Legende: Vieles deutet darauf hin: Die Handelspartner Türkei und Russland nähern sich einander wieder an. Keystone/Archiv

International Türkei und Russland wieder auf Tuchfühlung

Einen Monat nach der Entschuldigung Erdogans für den Abschuss eines russischen Kampfjets im Grenzgebiet zu Syrien stehen die Zeichen auf Annäherung. Eine hochrangige Delegation aus Ankara ist heute in Moskau. Das vom Putschversuch gezeichnete Nato-Mitglied ist mehrfach interessant für den Kreml.

Eine hochrangige türkische Delegation ist in Moskau zu Besuch. Das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass sich die Türkei und Russland wieder annähern wollen, wie Russland-Korrespondent David Nauer sagt. Zwischen den Ländern hatte nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets vom vergangenen November durch die Türkei eine monatelange Eiszeit geherrscht.

Termin Putin-Erdogan im August

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Präsident Putin und Präsident Erdogan treffen sich am 9. August in St. Petersburg. Das sagte der türkische Vizeregierungschef Simsek anlässlich des Besuchs beim Amtskollegen Dworkowitsch am Dienstag in Moskau. Russland sei zur konstruktiven Zusammenarbeit bereit. Die angeschlagenen Beziehungen müssten schrittweise wieder aufgebaut werden.

SRF News: Wie wichtig ist für Russland, dass sie die Türkei wieder zum Partner haben kann?

David Nauer: Die Türkei ist für Russland sehr wichtig. Sie ist die zweitgrösste Militärmacht am Schwarzen Meer, kontrolliert die Meerenge des Bosporus und spielt eine wichtige Rolle als Brücke in die Arabische Welt. Da der Kreml bei seiner Aussenpolitik immer geostrategisch denkt, hat die Türkei natürlich eine Schlüsselrolle inne. Zugleich gibt es enge wirtschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Ländern.

Was sind die wichtigsten Beispiele?

Die Türkei war vor der Krise durch den Kampfjet-Abschuss der fünftgrösste Handelspartner Russlands. Türkische Baukonzerne waren extrem aktiv in Russland, etwa beim Bau des hypermodernen Wolkenkratzerviertels «Moscow City» in der Hauptstadt. Für Millionen Russen war die Türkei vor allem ein Ferienparadies. Russische Staatsfirmen interessierten sich vor allem für den türkischen Energiesektor. Der Atomkonzern Rosatom beispielsweise baute an einem AKW in der Türkei. Gazprom wollte eine Pipeline durchs Schwarze Meer bauen, um über die Türkei später einmal Gas nach Europa zu liefern. Alle diese Projekte sind im Moment auf Eis gelegt und sollen nun langsam wieder aufgetaut werden.

Aus westlicher Sicht markieren Präsident Putin und Präsident Erdogan gerne den starken Mann und haben einen ähnlich autokratischen Führungsstil. Macht das die Annäherung einfacher?

David Nauer

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David Nauer ist Korrespondent von Radio SRF in Russland. Von 2006 bis 2009 hatte Nauer für den «Tages-Anzeiger» aus Moskau berichtet, anschliessend aus Berlin.

Zwischen der türkischen und russischen Führung gibt es eine gewisse weltanschauliche Überschneidung. Beide Staaten werden autoritär regiert und die offizielle Politik ist gesellschaftspolitisch sehr konservativ. Ich würde nicht so weit gehen und von der Entstehung einer autoritären Achse am Ostrand der EU sprechen. Allerdings sagen Experten in Russland ganz offen, dass es sehr viele Verbindungen mit der Türkei gebe. So seien beide Länder in Europa nicht willkommen gewesen und gingen nun eben ihren eigenen Weg. Und dies ist eben nicht der europäische Weg einer liberalen Demokratie.

Ist von einer dauerhaften neuen Freundschaft zwischen Russland und der Türkei auszugehen?

Das ist schwer absehbar, aber im Moment sieht es so aus, dass beide Länder auf absehbare Zeit ein Problem mit dem Westen haben werden. Der gemeinsame strategische Gegner verbindet natürlich sehr stark. Allerdings ist die Türkei auch Nato-Mitglied und aus russischer Sicht quasi im feindlichen Block. Deshalb wird die Annäherung wohl vorerst nicht allzu weit gehen.

Zudem zeigt gerade der Abschuss des russischen Jets, wie instabil die Aussenpolitik von autoritär geführten Staaten sein kann: Putin, so schien es, war persönlich beleidigt, dass Erdogan so etwas gewagt hatte. Der Kreml-Chef fror darauf praktisch alle Beziehungen ein. Erst als der türkische Präsident sich offiziell entschuldigte, sprach man wieder miteinander. Solche Zwischenfälle können sich jederzeit wiederholen. Es gibt also erhebliche Risiken.

Das Gespräch führte Joel Hafner.

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