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International Türkische Regierung verstärkt Einfluss auf Justiz

Präsident Abdullah Gül hat ein Gesetz für mehr Einfluss auf die Justiz abgesegnet. Zuvor war bereits ein Beschluss zur verstärkten Kontrolle des Internets gefasst worden. Neue Enthüllungen treiben Tausende auf die Strassen.

Nach der schärferen Kontrolle des Internets verstärkt die türkische Regierung nun auch ihren Einfluss auf die Justiz. Präsident Abdullah Gül teilte mit, er

habe einer entsprechenden Gesetzesänderung zugestimmt.

Rechte des Justizministers beschnitten

Kritiker halten die Unabhängigkeit der Justiz durch die Reform für gefährdet. Die Gesetzesänderung verschafft der Regierung mehr Kontrolle über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte. Das Gremium ist für die Aufsicht sowie die Ernennung und Beförderung von Richtern und Staatsanwälten zuständig.

Gül sagte, er habe Änderungen in Punkten durchgesetzt, die er für verfassungswidrig gehalten habe. So werde der Justizminister in dem Rat nicht alle im Entwurf vorgesehenen Befugnisse haben. Dem Verfassungsgericht bleibe es vorbehalten, endgültig über das Gesetz zu entscheiden.

Die grösste Oppositionspartei CHP hatte erfolglos versucht, das Gesetz noch vor Güls Unterschrift durch das Verfassungsgericht stoppen zu lassen. Auch die EU zeigte sich besorgt.

Erst vergangene Woche hatte Gül das international umstrittene Internetgesetz unterzeichnet, aber auch dort Änderungen verlangt. Das Parlament in Ankara verabschiedete diese Änderungen am Mittwoch.

Mehr Befugnisse für Geheimdienst

Dami könne die Telekommunikationsbehörde zwar Internetseiten ohne richterlichen Beschluss sperren lassen, berichteten türkische Medien. Sie müsse aber binnen 24 Stunden das Gericht informieren, das dann 48 Stunden Zeit für eine Entscheidung über die Sperrung habe.

Auch der Zugriff auf Nutzerdaten sei verglichen mit dem ursprünglichen Entwurf eingeschränkt worden. Die Regierung plant ausserdem ein Gesetz, mit dem die Befugnisse des Geheimdienstes MIT ausgeweitet werden sollen.

Erdogan spricht von Fälschung

Unterdessen hielt die Debatte über Telefonmitschnitte an, auf denen angeblich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seinen Sohn Bilal auffordert, grosse Mengen Bargeld vor Korruptionsermittlungen in Sicherheit zu bringen.

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Erdogan wies die Aufnahmen als Fälschung zurück und sprach von einer Verschwörung, hinter der er den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen vermutet. Die Opposition geht dagegen davon aus, dass die im am Montag im Internet veröffentlichten Mitschnitte authentisch sind. Sie fordert Erdogans Rücktritt.

Die islamisch-konservative Regierung sieht sich seit Grossrazzien am 17. Dezember massiven Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Vier Minister mussten im Zuge der Affäre zurücktreten.

Tausende protestieren

Hunderte Regierungsgegner versammelten sich am Mittwoch auf dem Istanbuler Taksim-Platz. Im Zentrum der Hauptstadt Ankara kamen mehrere tausende Menschen zusammen, nachdem bereits am Dienstag Proteste in sechs türkischen Städten organisiert worden waren.

«Überall Bestechung, überall Korruption», riefen die Demonstranten und beschimpften die politische Führung als «Diebe». In Ankara setzte die Polizei Tränengas ein, um einen Demonstrationszug in Richtung des Parlaments zu stoppen. Mehrere Teilnehmer der Kundgebung wurden festgenommen.

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