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International Ukraine: Jazenjuk geht – Poroschenko in der Pflicht

Nach langem Machtkampf hat der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk den Rücktritt erklärt. Grund sei die Regierungskrise, sagte Jazenjuk in einer Fernsehansprache. Präsident Poroschenko forderte den Rücktritt wiederholt. Als Nachfolger ist Parlamentspräsident Groisman im Gespräch.

Unerwartet kommt er nicht, dieser Schritt vom Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk. Nach fast zwei Monaten Regierungskrise in der Ukraine gibt der 41-Jährige sein Amt ab. Formell reichte er seine Rücktrittserklärung am Montag im Parlament ein. Über die Erklärung soll am Dienstag abgestimmt werden. Seine Partei, die Volksfront, bleibe aber in der prowestlichen Koalition mit dem Poroschenko-Block, sagte Jazenjuk.

Seit dem Machtwechsel in der Ukraine im Frühjahr 2014 hatte Jazenjuk die Regierung geführt. In den letzten Monaten verschlechterte sich das Verhältnis zu Präsident Petro Poroschenko aber zusehends. Dieser hatte mehrfach auch den Rücktritt Jazenjuks gefordert. Wenig erstaunlich also, dass der Noch-Ministerpräsident in der Fernsehansprache harsche Kritik übte an Poroschenko.

Jazenjuk: «Kein Wille zu Veränderungen»

Die politische Krise sei künstlich herbeigeführt worden. «Der Wunsch nach Ablösung eines Einzelnen hat die Politiker blind gemacht und ihren Willen zu realen Veränderungen gelähmt», sagte er.

Im Februar war eine Abwahl Jazenjuks in der Obersten Rada noch gescheitert, es gab auch lange keine Einigung auf einen Nachfolger. Mittlerweile soll sich das prowestliche Lager auf Parlamentspräsident Wladimir Groisman als neuen Regierungschef geeinigt haben.

Groisman habe in seiner früheren Funktion als Bürgermeister von Winniza die Verwaltung reformiert und interessante Projekte in die Stadt gebracht, sagt SRF-Korrespondent Christof Franzen. «Aber Groisman ist eben auch ein Günstling, ein Schützling von Präsident Poroschenko. Es stellt sich die Frage, ob er stark und unabhängig genug ist, um sich gegen die korrupten Oligarchen durchsetzen zu können.»

Poroschenko will keine Neuwahlen

Es wird erwartet, dass Jazenjuks Volksfront und die Partei von Präsident Petro Poroschenko BPP in der kommenden Woche eine Neuauflage ihrer Koalition ankündigen werden. Ein völliges Auseinanderbrechen der Koalition würde zu

vorgezogenen Parlamentswahlen führen, bei denen populistische Parteien an Einfluss gewinnen könnten. Poroschenko hatte daher Neuwahlen ausgeschlossen.

Die Bildung einer neuen und stabileren Regierung unter Groisman könnte hingegen die Chance erhöhen, dass der Internationale Währungsfonds eine seit Oktober

zurückgehaltene Kredittranche von 1,7 Milliarden Dollar für die Ukraine freigibt.

Einige Reformkräfte im Lande und auch einige westliche Politiker hatten allerdings gehofft, dass die in den USA geborene Finanzministerin Natalja Jaresko den Posten

übernehmen könnte.

Korruption und verschleppte Reformen

Jazenjuk stand zuletzt in der Kritik wegen der schlechten Wirtschaftslage und dem langsamen Reformtempo. Er und Poroschenko sind zwar beide westorientiert, leisteten sich aber immer öfter ein Kompetenzgerangel. In Umfragen liegt Jazenjuks Partei derzeit nur bei zwei Prozent. Aus seiner Koalitionsregierung sind mehrere Parteien ausgeschieden.

«Es sind nicht nur die Ukrainer, die mit ihm unzufrieden waren, sondern auch die internationalen Geldgeber im Westen», so SRF-Korrespondent Franzen.

Auch die Umsetzung des Minsker Friedensplanes für die Ostukraine geriet durch die politische Krise in Kiew arg ins Wanken: So haben die ukrainische Führung und die pro-russischen Separatisten bisher kaum einen Punkt aus dem Abkommen umgesetzt.

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