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International Ukraine: Poroschenko sieht seinen Westkurs bestätigt

Bei den Parlamentswahlen in der Ukraine zeichnet sich ein Sieg des pro-europäischen Bündnisses von Präsident Petro Poroschenko ab. Dieser wertet das Resultat als klares Votum für eine westliche Ausrichtung des Landes. Moskau erkennt das Wahlergebnis an.

Petro Poroschenko steht vor einem klaren Sieg. Nach Auszählung von rund einem Viertel der Stimmzettel kommt der Poroschenko-Block auf mehr als 21 Prozent der Stimmen. Dies teilte die Wahlleitung in Kiew mit. Auch die Volksfront von Regierungschef Arseni Jazenjuk kann mehr als 21 Prozent der Stimmen auf sich verbuchen.

Für Poroschenko sei die Wahl eine «machtvolle» Demonstration für eine enge EU-Anbindung, wie er am Sonntagabend sagte. Das sei ein klarer Auftrag für die künftige Regierung.

«Enormer gesellschaftlicher Druck»

Kyryl Savin von der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew, glaubt, dass das Parlament die politischen Reformen nun rasch umsetzt. Denn: «Es gibt einen enormen gesellschaftlichen Druck auf das neu gewählte Parlament.» Sehr viele zivilgesellschaftliche Initiativen hätten die notwendigen Gesetzesentwürfe bereits geschrieben. Alle Parteien hätten sich zudem noch vor der Wahl verpflichtet, sich dieser Gesetze anzunehmen, sagt Savin.

Kyryl Savin

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Porträt von Kyryl Savin

Der ukrainische Politologe Kyryl Savin war bis April 2015 Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew. Die deutsche Stiftung ist eine parteinahe Einrichtung der Partei Bündnis 90/Die Grünen und setzt sich «für eine aktive Friedenspolitik» ein.

Trotzdem dürfte es im Lager von Poroschenko lange Gesichter geben. Umfragen hatten dem Block nämlich mehr als 30 Prozent der Stimmen zugetraut. «Aber Poroschenko geht trotzdem gestärkt aus dieser Wahl, denn die Ukrainer haben sich eindeutig für pro-europäische politische Kräfte entschieden», sagt Savin.

Anerkennung aus Moskau

Russland hat unterdessen die Parlamentswahl in der Ukraine anerkannt, zugleich aber einen «schmutzigen und harten Wahlkampf» kritisiert. Die Führung in Kiew könne sich mit der Machtkonstellation nun «ernsthaft um die Lösung der Kernprobleme der Gesellschaft kümmern», sagte der russische Vize-Aussenminister Grigori Karassin.

Polens Aussenminister Grzegorz Schetyna sieht nach den Wahlen einen Neuanfang für das Nachbarland. «Die Ukraine geht nach Europa», sagte er im polnischen Radio. Vor allem die Ergebnisse in der Westukraine mit einer Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent unterstreichen nach Ansicht von Schetyna den Willen der Ukrainer, den Weg der Annäherung an Europa fortzusetzen.

Wahlkritik der Separatisten

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Die pro-russischen Separatisten kritisierten die Wahl als «Farce». Sie habe in einer «Atmosphäre der Verängstigung der Leute» stattgefunden, sagte Separatistenführer Andrej Purgin. In Teilen von Donezk und Lugansk hatten die Aufständischen die Wahl nicht zugelassen. Diese wollen am 2. November eigene Wahlen in Lugansk und Donezk abhalten.

Jazenjuk dürfte Regierungschef bleiben

Poroschenko kündigte rasche Koalitionsverhandlungen an. Zehn Tage seien dabei «mehr als genug» Zeit, um eine Regierung zu bilden, sagte er. Es wird damit gerechnet, dass Arseni Jazenjuks Volksfront Koalitionspartner wird und dieser damit Ministerpräsident bleibt.

Könnte es nun, da die Partei des Regierungschefs und die des Präsidenten fast gleich viele Stimmen erlangten, zu einem Machtkampf zwischen den zwei kommen? «Nein, das wird es nicht geben. Denn ideologisch gesehen, gibt es keinen Unterschied zwischen den zwei Parteien», ist Savin überzeugt.

In einer möglichen Koalition könnte auch die Vaterlandspartei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko vertreten sein, die bei rund 5,9 Prozent der Stimmen landete.

Kommunisten nicht mehr im Parlament

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Als grösste Überraschung werteten Beobachter das Resultat der liberalen Partei Samopomoschtsch (Selbsthilfe); sie kam auf 10,6 Prozent der Stimmen.

Die Wahl dürfte das historische Aus für die kommunistische Partei im Parlament bedeuten: Sie lag bei nur noch drei Prozent und würde damit erstmals seit der Unabhängigkeit der Ukraine 1993 nicht ins Parlament einziehen. Viele Ukrainer würden das feiern. «Sie werten es als Ereignis, dass die sowjetische Vergangenheit eben auch Vergangenheit bleibt», sagt Savin.

Janukowitsch vor Timoschenko

Die pro-russische Partei des im Februar gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch schaffte es gemäss den Prognosen mit fast 8 Prozent ebenfalls ins Parlament. Dies sei wichtig, erklärt SRF-Korrespondent Peter Gysling. So seien jene im Osten, die nicht mit der pro-westlichen Politik einverstanden sind, ebenfalls vertreten.

Rückschlüsse könne man aber noch keine ziehen, betont Gysling weiter. Die Exit-Polls seien aufgrund von Befragungen von Personen, die Parteien gewählt haben, gemacht worden.

«Die Hälfte der Abgeordnetensitze werden jedoch durch Direktmandate erobert. Hier denke ich werden auch ehemalige prominente Politiker wiedergewählt, die vorher der Partei des gestürzten Präsidenten Janukowitsch angehört haben.» Das Parlament werde sich wohl etwas konservativer zusammensetzen als das jetzt in den Nachwahlbefragungen zum Ausdruck gekommen sei. Aber die Reformer werden die Mehrheit stellen, erklärt Gysling weiter.

Enttäuschung für Rechte

Unerwartet schlecht schnitt der Rechtspopulist Oleg Ljaschko ab. Seine radikale Partei landete nicht wie erwartet an zweiter, sondern an fünfter Stelle mit 7,6 Prozent der Stimmen.

Explosionen in Donezk

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Einen Tag nach der Parlamentswahl in der Ukraine soll es in Vororten der ostukrainischen Stadt Donezk heftige Raketeneinschläge gegeben haben. Es seien Explosionen zu hören, heisst es auf der Webseite des Bürgermeisters von Donezk. Eigentlich gilt seit dem 5. September eine Waffenruhe zwischen Kiew und den pro-russischen Separatisten.

Unsicher ist noch, ob die rechte Partei Swoboda den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Die am Sonntag nach Schliessung der Wahllokale veröffentlichen Prognosen hatten die Partei in der Obersten Rada gesehen. Demnach schafften 7 der 29 registrierten Parteien den Einzug ins Parlament. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 52,4 Prozent.

Alfred Heer mit Wahl zufrieden

Die zentrale Wahlkommission sprach von einem ruhigen Ablauf des Urnengangs bei einer Wahlbeteiligung von rund 52,4 Prozent. Der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer, der für die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Odessa war, sagte, die Wahl sei friedlich abgelaufen. «Wegen der Kälte waren allerdings fast keine Menschen auf den Strassen.» Die Sicherheitskräfte hätten sich in Odessa im Hintergrund gehalten.

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