Örtliche Medien berichteten, die Truppen des Anti-Terror-Einsatzes seien mit den Fahrzeugen durch die beiden Städte rund 80 Kilometer nördlich der Gebietshauptstadt Donezk gefahren. Eigentlich waren die ukrainischen Einheiten zur Bekämpfung der moskautreuen Aktivisten in den Osten des Landes beordert worden. Das Verteidigungsministerium in Kiew wies die Berichte zurück.
SRF-Korrespondent Christoph Wanner konnte jedoch mit eigenen Augen am Mittwochmorgen das Überlaufen der Soldaten beobachten. Rund 100 Armeeangehörige hätten in Kramatorsk die Seiten gewechselt. Danach hätten die pro-russischen Kämpfer die gepanzerten Fahrzeuge übernommen und nach Slawjansk gebracht.
Wieso die ukrainischen Soldaten ihre Waffen strecken, scheint für Wanner klar zu sein. «Die Mehrheit der Soldaten würde nicht auf die pro-russischen Aktivisten schiessen, weil sie ihnen wahrscheinlich nicht gewachsen wären. Dazu kommt, dass sie Soldaten schlecht bezahlt, schlecht ausgebildet und schlecht ausgerüstet sind. Die Moral der Truppe ist ganz weit unten.»
Bevölkerung traut sich nicht raus
In Slawjansk berichteten Bewohner der Nachrichtenagentur dpa, dass in der Bevölkerung Angst herrsche und sich kaum noch jemand auf die Strasse traue. In die ostukrainische Stadt sind sechs Panzer mit einer russischen Flagge eingefahren. Auf den Fahrzeugen sassen schwer bewaffnete Männer in Uniformen mit unterschiedlichen Tarnmustern. Es handelte sich offenbar um pro-russische Aktivisten.
Die Panzer, die auch die Separatisten-Flagge trugen, machten halt vor dem Rathaus der Stadt, das vor einigen Tagen von den Separatisten eingenommen worden war. Ukrainische Soldaten waren in Slawjansk nicht zu sehen. In der Stadt sind mehrere öffentliche Gebäude unter Kontrolle der pro-russischen Kräfte.
Die Männer auf den Radpanzern trugen zum Teil Sturmhauben und waren mit Kalaschnikow-Gewehren, Granatwerfern, Messern und Pistolen bewaffnet. Eines der Fahrzeuge trug das Emblem der von den Separatisten ausgerufenen Volksrepublik Donezk. Einige Bewohner der Stadt winkten den Männern zu und riefen: «Russland, Russland» oder «Gut gemacht, Jungs!».
Bürgerwehren gegen Separatisten
In der Gebietshauptstadt Donezk übernahmen Maskierte gewaltlos den Stadtrat. In anderen Städten der Region bildeten sich Bürgerwehren. Sie wollten die Sicherheitskräfte der prowestlichen Führung in Kiew unterstützen und sich gegen die Separatisten verteidigen. Die Ausrufung eines Ausnahmezustandes im Osten lehnte Verteidigungsminister Michail Kowal ab.