Der Entscheid in Grönlands Parlament war äusserst knapp: 15 Abgeordnete votierten für die Aufhebung des bisherigen Abbauverbotes von Uran, 14 dagegen.
Der Richtungsentscheid war von Kundgebungen für und gegen den Uranabbau begleitet worden. Er hat sehr grosse Auswirkungen: «Bald können wir auf eigenen Beinen stehen», frohlockte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Aleqa Hammond nach der Abstimmung. Ein Oppositionspolitiker entgegnete: «Heute Nacht haben wir unsere Natur und unsere Gesundheit verkauft».
Tatsächlich stehen sich in der aktuellen Frage sehr unterschiedliche Interessen gegenüber. Der Entscheid schlägt ein neues Kapitel in der Geschichte des Landes auf. Als erstes indigenes Arktisvolk stehen nämlich die gut 60'000 Grönländerinnen und Grönländer vor der Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit. Vor vier Jahren stimmten sie in einer Volksabstimmung für eine schrittweise Loslösung von der früheren Kolonialmacht Dänemark. Dänemark kommt bis heute für rund die Hälfte des grönländischen Haushaltes auf.
Mit der Fischerei und dem Tourismus alleine kann Grönland die wirtschaftliche und damit auch die politische Unabhängigkeit nicht erreichen. Zu teuer ist das Leben der wenigen Menschen auf der über zwei Millionen Quadratkilometer grossen Insel.
Rohstoffabbau ist neu möglich
Ökonomisch zu aufwändig und politisch zu kompliziert erschien bislang auch die Ausbeutung der reichen Bodenschätze: die Förderung von Öl und Gas entlang der grönländischen Küsten und der Abbau von Erz und anderen Rohstoffen im Untergrund der Insel.
Das klimatische und politische Tauwetter hat dies verändert. Seit kurzem bleiben die Küsten im südlichen Grönland auch im Winter eisfrei. Mit der wachsenden politischen Selbstbestimmung ist es nun für die Grönländer möglich, mit Interessenten aus der ganzen Welt ins Geschäft zu kommen, zum Beispiel mit dem Rohstoffkonzern London Mining.
Hinter dieser Firma stehen chinesischen Interessen. Genau mit dieser Firma, die in den kommenden Jahren Milliarden auf Grönland investieren will, hat nun die grönländische Regierung einen langfristigen Lizenzvertrag über den Abbau von Eisenerz, Uran und seltenen Erden unterschrieben. Dies nur wenige Stunden nach dem hauchdünnen Parlamentsentscheid.
Volksabstimmung gefordert
Das geht vielen Menschen auf der grössten Insel der Welt viel zu schnell. Sie fordern eine Volksabstimmung. Umweltverbände warnen seit langem vor einem überstürzten Rohstoffabenteuer in der sensiblen arktischen Natur. Und auch in Kopenhagen weckt der historische Beschluss auf Grönland Unbehagen, vor allem aus sicherheitspolitischen Gründen.
Denn sollte Grönland bald zum wichtigsten Förderer von radioaktivem Uran werden, dann dürfte dies auch all jene Staaten und Organisationen brennend interessieren, welche die eigenen Streitkräfte mit atomaren Sprengköpfen ausrüsten wollen.