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International Umstrittenes Coming-Out der Regierung Hollande

Ein Minister, der Schwarzgeld hortet: Das soll in Frankreich künftig unmöglich sein. Die sozialistische Regierung Frankreichs veröffentlicht Einkommen und Vermögen all ihrer Mitglieder. Die Rechte findet das läppisch.

Als Konsequenz aus der Schwarzgeld-Affäre des früheren Ministers Cahuzac haben in Frankreich alle Regierungsmitglieder ihr Vermögen offengelegt. Auf der Internetseite der Regierung können nun Angaben zu Konten oder Immobilien von Premierminister Jean-Marc Ayrault und den 37 Ministern eingesehen werden.

Der Internet-Veröffentlichung zufolge kann Regierungschef Ayrault ein Vermögen von rund 1,55 Millionen Euro sein Eigen nennen. Dazu zählen vor allem zwei Häuser in Westfrankreich im Wert von zusammen rund 1,2 Millionen Euro.

François Hollande.
Legende: Sorgen: Hollande kümmert sich um Transparenz – und sein Image. Keystone

Aussenminister Laurent Fabius, über den zeitweise Gerüchte kursierten, er habe ein Auslandskonto, gab ein Vermögen von mehr als sechs Millionen Euro an. So verfügt er über eine Wohnung in Paris im Wert von 2,75 Millionen Euro, zwei Landhäuser sowie eine Beteiligung am Auktionshaus Piasa von über einer Million.

Cahuzac mit Auslandskonto

Diese in Frankreich bislang einmalige Veröffentlichung ist Folge des Schwarzgeld-Skandals um Ex-Haushaltsminister Jérôme Cahuzac. Der Minister, der lange als ein Pfeiler der Regierung galt und im März zurückgetreten war, hatte die Öffentlichkeit über Monate zu seinem heimlichen Konto in der Schweiz belogen.

Die Affäre stürzte die sozialistische Regierung in eine tiefe Krise, denn Präsident François Hollande hatte im Wahlkampf – in Abgrenzung zu den konservativen Vorgängern – eine untadelige Republik versprochen.

Opposition wird Aktion ausschlachten

Schon vor der Veröffentlichung hatten einzelne Kabinettsmitglieder ihr Vermögen offengelegt. So räumte die Ministerin für Senioren, Michèle Delaunay, ein Vermögen von 5,4 Millionen Euro ein. Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belkacem verfügt nach eigenen Angaben dagegen nur über rund 100'000 Euro, darunter ist ein Motorroller Piaggio.

Delaunay sagte, dass ihr Vermögen zum Grossteil ererbt sei und kritisierte: «Die Opposition wird es sich nicht nehmen lassen, das Bild der reichen Sozialistin auszuschlachten.»

Staatschef Hollande musste sein Vermögen nicht mehr offenlegen, denn das hatte er bereits zu seinem Amtsantritt im Mai vergangenen Jahres getan. Demnach besitzt er Immobilien im Gesamtwert von 1,17 Millionen Euro sowie mehrere Bankkonten und eine Lebensversicherung von zusammen rund 10'000 Euro. Dieser Vermögensstand hat sich laut Elysée-Palast seither praktisch nicht verändert.

Auch Abgeordnete und Senatoren

Als Konsequenz aus der Cahuzac-Affäre will die Regierung künftig auch die Abgeordneten und Senatoren zur Offenlegung ihrer Vermögen zwingen. Dazu soll nächste Woche ein Gesetzentwurf für mehr Transparenz und Moral in der Politik im Kabinett verabschiedet werden.

Dieser Schritt ist aber auch in den eigenen Reihen umstritten. Manche Abgeordnete sehen sich unter Generalverdacht gestellt. Die konservative Opposition sieht in dem Vorgehen vor allem ein Ablenkungsmanöver der Regierung von der Affäre Cahuzac.

Nach einer Umfrage der Wochenzeitung «Le Journal du Dimanche» halten 63 Prozent der Franzosen den derzeitigen Schritt für «notwendig, um die Transparenz in einer modernen Demokratie zu garantieren». Gleichzeitig haben einer Umfrage für den «Nouvel Observateur» zufolge 70 Prozent der Franzosen kein oder nur wenig Vertrauen in die Politik.

Die Daten über Konten und Vermögen lagen der Regierung bereits vor. Die 37 Regierungsmitglieder mussten zum Amtsantritt intern einer Transparenzkommission Angaben zu Konten, Wertpapieren, Bargeld, Immobilien, Schmuck, Kunst oder Autos machen.

Viel Symbolik, wenig Wirkung?

Alles gut also? Nein, sagt SRF-Korrespondent Ruedi Mäder. «Die Krise ist damit nicht überwunden. Hollande versucht den Befreiungsschlag. Das gibt ihm etwas Luft. Aber der Schaden ist zu gross.»

Die ganze Politik werde so diskreditiert, sagte wiederum Luc Chatel, UMP Abgeordneter und ehemaliger Minister für Bildung und Erziehung. «Ich akzeptiere nicht, dass man die ganze politische Elite in den Abfalleimer wirft, weil ein sozialistischer Minister betrogen hat.»

Ja  zu Kontrollen durch eine unabhängige Kommission, sagt UMP Präsident Jean-François Copé. Aber die Veröffentlichung der finanziellen Verhältnisse im Internet, das sei nicht mehr Transparenz, das sei Voyeurismus.

Opposition muss wohl mitziehen

Zudem zeigten Umfragen, dass es in der Bevölkerung Zweifel gebe. Nicht alle glaubten, eine Offenlegung könne einen zweiten Fall Cahuzac verhindern.

Davon wenig begeistert ist die bürgerliche Opposition, wie SRF-Korrespondent Michael Gerber ergänzt. Allen voran Marine Le Pen von der Front National. Doch der Opposition bleibt kaum etwas anderes, als wohl oder übel die Pläne Hollandes mitzutragen. Ruedi Mäder: «Ihr ist klar: Das alles ist ein Ablenkungsmanöver. Aber es wäre problematisch, gegen ein Gesetz zu sein, das die Moralisierung der Politik zum Ziel hat.»

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