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International UNO: Gazastreifen geht zugrunde

Der Gazastreifen ist in wenigen Jahren unbewohnbar, wenn die Blockade durch Israel nicht aufgehoben wird. Davor warnen UNO-Experten in einem neuen Bericht. Die Menschen in den zerstörten Wohngebieten der Küstenenklave hätten jede Hoffnung verloren, berichtet SRF-Mitarbeiter Ben Huwyler.

UNO-Experten zeichnen ein düsteres Zukunftsszenario für die wirtschaftliche Lage im Gazastreifen: Sollte sich an den gegenwärtigen ökonomischen Entwicklungen nichts ändern, könnte das Küstengebiet bis 2020 unbewohnbar werden, schreibt die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad) in einem neuen Bericht.

Die Konferenz erinnert daran, dass es neben der achtjährigen Wirtschaftsblockade in den vergangenen sechs Jahren drei Militäreinsätze im dicht besiedelten Gazastreifen gegeben habe. Diese hätten der ohnehin maroden Infrastruktur weiteren Schaden zugefügt sowie Wiederaufbau und wirtschaftliche Erholung behindert.

Sommer 2015: Wiederaufbau im Ostteil von Gaza City nach dem letzten Krieg vor einem Jahr.
Legende: Sommer 2015: Wiederaufbau im Ostteil von Gaza City nach dem letzten Krieg vor einem Jahr. Keystone/Archiv

Allein im vergangenen Jahr waren im 50-tägigen Krieg zwischen Israel und der radikalen Palästinenserorganisation Hamas über 2200 Palästinenser und mehr als 70 Israelis getötet worden. Ende August 2014 verkündeten Israel und die Palästinenser eine Waffenruhe.

Grosse Zerstörung

Etwa 18‘000 Häuser wurden im Gaza-Krieg verwüstet oder schwer beschädigt. Doch der Wiederaufbau verläuft nur schleppend. Die Lieferungen von Baumaterial werden streng von Israel überwacht, um Missbrauch für militärische Zwecke auszuschliessen. Ausserdem ist bisher nur ein Teil von insgesamt 4,3 Milliarden Euro an Hilfsgeldern angekommen. Diese hatten verschiedene Nationen den Palästinensern bei einer Geberkonferenz im vergangenen Jahr versprochen.

Luftangriff auf Hamas-Camp

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Israelische Jets haben am frühen Morgen Raketen auf ein Trainigscamp der radikal-islamischen Hamas in Gaza abgefeuert. Nach Angaben der Hamas wurde dabei niemand verletzt. Die israelische Armee teilte mit, es handele sich um eine Reaktion auf Schüsse aus dem Gazastreifen, die am Mittwoch auf mehrere Häuser nahe der Grenze abgegeben wurden.

Palästinenser pochen auf Siedlungsstopp

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bot Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nun sofortige und direkte Friedensgespräche an. Dafür sei er bereit, an jeden Ort zu fahren, ohne Vorbedingungen, sagte er am Dienstag bei einem Treffen mit Friedensaktivistinnen. Der palästinensische Chefunterhändler wies das Angebot jedoch am Mittwoch als «leere Worthülsen» zurück. Netanjahu führe eine Regierung «von Siedlern und für Siedler» an.

Die Palästinenser fordern als Verhandlungsbasis vor neuen Gesprächen einen Siedlungsausbau-Stopp Israels in den Palästinensergebieten, die Freilassung von Häftlingen sowie die Festlegung auf die Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967.

«So grosse Hoffnungslosigkeit habe ich selten erlebt»

Die Arbeitslosigkeit im Gazastreifen liege beim fast 50 Prozent, die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, berichtet SRF-Mitarbeiter Ben Huwyler nach einem kürzlichen Besuch. Eine Mittelschicht existiere kaum mehr. Die Menschen verarmten und viele lebten in zerbombten Häusern. Es gebe täglich stundenlange Stromausfälle, eine funktionierende Wasserversorgung bestehe nicht.

Nach drei Kriegen sind laut Huwyler viele Gaza-Bewohner mit ihren Kräfte am Ende: «Ganze Familien sind traumatisiert und brechen auseinander. Kinder leiden an psychischen Störungen.» Die Menschen hätten jegliche Hoffnung verloren, dass sich die Lage bald bessern könnte. Man sei eher überzeugt, dass es früher oder später zu einem weiteren, noch viel brutaleren Krieg mit Israel kommen wird.

Vorherrschende Meinung: Palästinenser sind selber schuld

In Israel sei man sich der katastrophalen Lage im Gazastreifen bewusst, stellt Huwyler fest. Dies werde auch in den israelischen Medien immer wieder thematisiert. In der israelischen Bevölkerung sei durchaus ein gewisses Unbehagen oder gar Mitleid zu spüren. Die vorherrschende Meinung sei aber, dass die Palästinenser an der Misere selber schuld seien – weil sie immer wieder Kriege anzettelten und an einem Frieden nicht interessiert seien.

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