Rund 400 einflussreiche Gäste kamen am Montag zum Sandwich-Lunch ins edle Mayflower-Hotel in Washington. Viel Interesse für Dick Cheney, der noch vor kurzem als politisch toxisch galt.
Über eine Stunde lang malte er für sein Publikum schwarz. Cheney ist überzeugt: Obamas Aussenpolitik führt die USA und die Welt ins Verderben. Jetzt werde die Basis geschaffen für schrecklicheres Unheil als jenes von 9/11, glaubt er.
Terrorismus und Al-Kaida seien nicht ausgerottet, wie Obama behaupte. Beim Militär zu sparen, sei ein Riesenfehler. Sich aus der Welt zurückzuziehen, ebenfalls.
Cheney: Irak-Krieg war rechtens – auch ohne Massenvernichtungswaffen
Die Welt werde nicht sicherer, sondern von Tag zu Tag gefährlicher. Und Cheney spricht wiederum von der Gefahr der Massenvernichtungswaffen. Sie waren damals, 2003, auch der Grund für den Krieg gegen Saddam Hussein – obschon dieser keine solchen Waffen hatte. Saddam hätte sie früher oder später gehabt, sagt Cheney heute. Der Krieg sei deshalb absolut gerechtfertigt gewesen.
Die Vereinigten Staaten sehen sich einer wachsenden Bedrohung gegenüber.
Historische Details interessieren den Falken nicht. Was kümmert ihn die Wahrheit, wenn die Welt bedroht ist? So lassen sich auch die Interviews und Meinungsartikel lesen, die in letzter Zeit erschienen sind. Der Fokus: die Bush-Regierung hatte die Welt im Griff, bei Obama sei es umgekehrt. Selten habe ein Präsident sich so stark in derart vielen Punkten geirrt – zu Lasten von so vielen Leuten, schreibt Cheney.
Kritik aus den eigenen Reihen
Die Linken und die Demokraten heulen auf. Ausgerechnet Cheney belehrt Obama über Aussenpolitik.
Viele Republikaner greifen sich ebenfalls an den Kopf. Sie haben mit der Botschaft zwar keine Mühe, mit dem Botschafter aber umso mehr. Selbst der konservative Fernsehsender Fox griff Cheney kürzlich frontal an. Die Moderatorin listete zuerst alle Fehleinschätzungen Cheneys der Vergangenheit auf und stellte dann die Frage: Haben nicht SIE sich ständig geirrt?
Dick Cheney schüttelt das alles ab. Man müsse sich doch an die Fakten erinnern, wendet er ein, Fakten, die seine eigenen sind oder von einem neokonservativen Thinktank stammen. Seit der Ford-Präsidentschaft ist Cheney in der Politik. Er hat eine Elefantenhaut, Kritik prallt ab.
Und Cheney hat nichts mehr zu verlieren, nur zu gewinnen. Einfluss, zum Beispiel.
USA soll Weltpolizist sein
Cheney will wieder Einflüsterer und Strippenzieher sein in Washington. Das ist auch der Grund für die Öffentlichkeits-Offensive. Mit seiner Tochter Liz hat er eine Organisation gegründet, die sich für eine stärkere Aussenpolitik stark macht. Beide hoffen, den neokonservativen Teil der Republikaner auf ihre Seite zu ziehen.
Jenen Teil also, der die USA nach wie vor als Weltpolizist sieht: Wer denke, die USA könnten sich nach 9/11 einfach von der Welt abkehren, der sei doch verrückt. Isolationisten, die es mit Rand Paul und anderen Vertretern auch in Cheneys eigener Partei gibt, will er ausbremsen.
Cheney regelt seine Nachfolge
Gleichzeitig soll das Fundament gelegt werden für die politische Karriere von Tochter Liz, die gestern ebenfalls am Lunch dabei war. Die 48-Jährige soll die Politik Cheneys in die nächste Generation führen.
Cheney hatte bereits fünf Herzinfarkte. Vor zwei Jahren hatte er eine Herztransplantation. Sein Leben hing an einem dünnen Faden. Wie lange er noch lebe, wollte am Montag am Lunch-Anlass der Moderator wissen. Die Ärzte hätten ihm gesagt, sein Herz werde noch 30 Jahre schlagen, aber sie seien nicht sicher, ob die restlichen Körperteile so lange durchhalten würden, meinte Cheney.