Am Mittwoch legt Frankreichs neuer Premier Manuel Valls sein 50-Milliarden schweres Stabilitätsprogramm dem Kabinett vor. Ende Monat wird das Parlament darüber entscheiden. Fragen an Frank Baasner, Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg:
SRF: Premier Valls Sparprogramm stösst auf Widerstand in der eigenen Partei. Droht den Sozialisten die Lähmung?
Frank Baasner: Das glaube ich nicht. Der Konflikt innerhalb der PS besteht seit vielen Jahren. Die einen tendieren zu einem sozialdemokratischen Kurs wie Blair und Schröder, die anderen hängen noch sehr einem eher kommunistisch inspirierten Umverteilungsgedanken nach.
SRF: Und doch gibt es alternative Vorschläge zum Programm. Muss Valls auf diese hören?
Bisher liegen aus der sozialistischen Partei zwei Vorschläge vor: Zum einen die Reduktion des Sparprogramms auf 35 Milliarden Euro. Darauf wird Valls nicht eingehen können, weil er seine Glaubwürdigkeit gegenüber Brüssel, den Kapitalmärkten, sich selbst und dem Präsidenten verlieren würde. Zum anderen besteht ein Vorschlag, die 50 Milliarden anders zu verteilen. Hier wird sich Valls sicherlich bewegen, um zu zeigen, dass er dialogfähig ist. Aber an Substanz und Zeitplan wird sich im Wesentlichen nichts ändern.
SRF: Wird das Sparprogramm also vor dem Parlament durchkommen?
Ich denke schon. Die Regierungsmehrheit ist vergleichsweise gross, selbst wenn es einige Ausreisser geben sollte. Zudem ist Frankreich nach den für die Sozialisten fatal schlecht gelaufenen Kommunalwahlen bereits wieder im Wahlkampf für die europäischen Wahlen. Sich nun bereits wieder zu zerfleischen und den gerade erst installierten Premier zu desavouieren, wird die grosse Mehrheit nicht wollen.
SRF: Linke befürchten, dass Frankreich jetzt dem ultra-liberalen Europa geopfert wird. Erschüttert das Sparprogramm die sozialistischen Grundfesten?
Überhaupt nicht. Denn beim genaueren Hinschauen sieht man, dass das Programm gar nicht sonderlich mutig ist – ausser vielleicht mit Blick auf die französische Streikbereitschaft. Es sind keine harten Eingriffe in die sehr komfortablen sozialen Sicherungssysteme. Es handelt sich vor allem um mit dem Rasenmäher gemachte Kürzungen. Diese sind zwar wichtig und besser als nichts, aber so richtig strukturell eingegriffen wird nicht – weder bei der Arbeitslosenversicherung noch bei Arbeitsrecht oder Mindestlohn. Von daher ist es keine Revolution und gar nichts Neoliberales.
SRF: Und das Einfrieren von Renten, Kindergeld und Beamtenlöhnen – droht da doch eine Demonstrationswelle?
Tatsächlich wurden in Frankreich in den letzten 20 Jahren mehrfach nötige strukturelle Reformen weggestreikt. Zu denken ist etwa an die Rentenreform von Juppé oder den Versuch von Villepin, den Arbeitsmarkt zu lockern. Trotzdem glaube ich, dass die Bevölkerung erkannt hat, dass jetzt etwas geschehen muss, damit sich Frankreich innerhalb von Europa nicht komplett isoliert. Eine aktuelle Umfrage zeigt denn auch eine über 50-prozentige grundsätzliche Zustimmung zum Programm von Valls.
SRF: Es gibt Zweifel an Frankreichs Zuverlässigkeit. Teilen Sie diese?
Zweifel sind berechtigt, wie andere Länder mit Schwierigkeiten zeigten. Italien etwa, wo die Kapitalmärkte böse straften und am Schluss die Europäischen Zentralbank eingreifen musste. Dieses Risiko besteht auch für Frankreich. Deshalb hat Valls nur eine Chance auf Erfolg, wenn er relativ schnell etwas tut. Er hat die Mehrheiten, es braucht keine Verfassungsänderung, es kann per Gesetz umgesetzt werden.
SRF: Kann diese Reform die Ziele erreichen?
Es ist besser als nichts. Die strukturellen Probleme werden damit aber nicht behoben. Diese Reformen stehen am Horizont und müssen noch kommen.
Das Interview führte Simone Fatzer.