International - Vereinigte Staaten ehren ihre Kriegsveteranen
Alljährlich gedenken die USA am 11. November ihrer Kriegsveteranen. Doch allen schönen Reden zum Trotz ist das Leben der ehemaligen Soldaten hart. Wer kein körperliches Gebrechen davongetragen hat, krankt oft an der Psyche oder fällt in ein tiefes Loch. Die Zahlen dazu sind erschreckend.
«In God we trust» («Auf Gott vertrauen wir»), lautet der Wahlspruch der US-Amerikaner. Es hätte aber auch genauso gut «In Army we trust» heissen können. Denn die meisten US-Amerikaner lieben ihre Armee abgöttisch.
Doch der überbordende Nationalstolz auf die Truppe ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Denn spätestens bei genauerem Hinsehen wir klar: Die Armee ist inklusive aller Behörden und Zweigstellen mit Abstand der grösste Arbeitgeber des Landes. Neben dem geregelten Einkommen verspricht sie eine gute Ausbildung und gesellschaftliches Ansehen.
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Das Veteranenministerium ist mit rund 280'000 Mitarbeitern das zweitgrösste US-Bundesministerium. Die Mitarbeiter sind in medizinischen Einrichtungen, Krankenhäusern, Behörden und auf Nationalfriedhöfen beschäftigt. Im Bereich Gesundheit ist es einer der grössten Arbeitgeber in den Vereinigten Staaten.
Doch wo eine Armee ist, da ist in aller Regel auch Krieg, da sind Tod, Verwundung und seelische Narben. Um all die, welche die Militärmaschine wieder lebend ausgespuckt hat, kümmert sich in den USA eine eigene Behörde – das Ministerium für Kriegsveteranen.
Ein mächtiger Apparat, wie sich während des US-Haushaltsstreits zeigte. Während die Umweltschutzbehörde 94 Prozent ihrer Belegschaft nach Hause schicken musste, wurden im Ministerium für Kriegsveteranen nur vier Prozent in den Zwangsurlaub verabschiedet.
Damit nicht genug zogen Tausende vor das Weisse Haus und protestierten gegen die Schliessung der Kriegs-Denkmäler – weil die durch den Shutdown nicht mehr öffentlich zugänglich waren.
«Krieg im Kopf» holt viele Ehemalige wieder ein
Kriegsveteranen sind ein heisses Eisen. Politisch zumeist eher konservativ verstehen sie es – nicht zuletzt dank der neuen Medien, ihre Interessen zu bündeln und als stimmgewaltige Einheit aufzutreten. Ganz anders als die Vietnam-Veteranen finden sie in der Öffentlichkeit für ihre Probleme Gehör. Und Probleme gibt es viele.
Fast 3,5 Millionen Veteranen haben eine körperliche Behinderung. Mehr als ein Viertel von ihnen lebt in Armut. Von den obdachlosen Veteranen hat mehr als die Hälfte ein Handicap. Ehemalige US-Soldaten kämpfen aber nicht mehr allein mit Behinderungen und Krankheiten durch Verwundungen.
In zunehmendem Masse leiden Veteranen an Erkrankungen der Psyche. Dazu gehören vor allem Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) aber auch Traumata nach sexuellen Übergriffen (Military Sexual Trauma / MTS).
Überdurchschnittlich hoch sind auch die Fälle von Drogen- und Alkoholmissbrauch. Diese haben oft Arbeitslosigkeit (bei jungen Veteranen im Schnitt doppelt so hoch (30%) wie bei anderen Gleichaltrigen) und Obdachlosigkeit zur Folge.
Jede Stunde begeht ein Veteran Selbstmord
Einer von drei Veteranen, die im Irak oder in Afghanistan gekämpft haben, leidet unter schweren psychischen Erkrankungen. Bei fast jedem fünften wurde eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Allerdings nimmt nur jeder zweite Betroffene auch tatsächlich medizinische Hilfe in Anspruch.
Die Folge: Selbstmord ist – nach dem Tod während militärischer Kämpfe – die Todesursache Nummer eins. Aktuell nimmt sich im Durchschnitt fast jede Stunde ein Veteran das Leben – Tendenz steigend. Auf einen im Kampf getöteten Soldaten kommen mittlerweile 25 Veteranen. Landesweit entfallen 20 Prozent aller Suizide auf ehemalige Soldaten.
Neues Problem: Sexuelle Belästigung
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Der Veteranentag war ursprünglich ein Gedenktag für die Überlebenden des Ersten Weltkriegs. Mittlerweile aber gilt er für alle Veteranen aus allen Kriegen, in die amerikanische Soldaten involviert waren. Auch in Belgien, Frankreich und Grossbritannien wird er feierlich begangen.
Weniger bekannt ist das Military Sexual Trauma (MST). Es tritt als Folge sexueller Nötigung oder Belästigung während des Dienstes zutage. Jede fünfte Veteranin leidet offiziell darunter. Doch ist davon auszugehen, dass die Zahl der Opfer wesentlich höher liegt. Viele Frauen haben Angst vor öffentlicher Stigmatisierung oder fürchten gar weitere Belästigungen und ziehen es deshalb vor zu schweigen.
Doch dass die Zahlen wesentlich höher liegen müssen, zeigen Befragungen weiblicher Veteranen. Sie ergaben, dass fast ein Drittel von ihnen Opfer sexueller Übergriffe oder gar von Vergewaltigungen wurde.
«Armee der Kaputten» nannte der Spiegel erst kürzlich die US-Veteranen der jüngsten Kriege. Denn allen Versprechungen zum Trotz schafft es der Riesenapparat des Veteranenministeriums nicht, die Gefallenen wieder aufzurichten und den Gestrauchelten neuen Halt zu geben. Der Veterans Day mag da warnend und erinnernd wirken – verändern oder gar abschaffen wird er das Dilemma gleichwohl nicht.
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