Die USA haben die Verurteilung des Kremlkritikers Alexej Nawalny zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung kritisiert. «Dies erscheint als ein weiteres Beispiel der zunehmenden Zerschlagung unabhängiger Stimmen durch die russische Regierung», sagte Aussenamtssprecher Jeff Rathke in Washington. Es sei besorgniserregend. Ganz offenbar sollten politische Aktivisten bestraft werden.
Hunderte demonstrieren gegen Putin
Nawalny war am Dienstagmorgen wegen Unterschlagung auf Bewährung verurteilt worden. Nur Stunden später wurde er vorübergehend festgenommen, als er an einer Demonstration unweit des Kreml teilnehmen wollte.
Zu dieser nicht genehmigten Protestkundgebung kamen laut Polizei 1500 Menschen zusammen. Beobachter sprachen dagegen von mehreren Tausend Demonstranten. Bei minus 15 Grad Celsius skandierten sie «Russland ohne Putin» und «Freiheit für Nawalny».
Mehr als 200 Festnahmen
Nach gut zweieinhalb Stunden trieben die massiv aufmarschierten Polizeikräfte die Menge auseinander. Insgesamt nahmen sie laut Angaben von Menschenrechtsaktivisten mehr als 240 Menschen fest.
Auch Nawalny wurde vorübergehend verhaftet. Er hatte zuvor seine Wohnung unerlaubterweise verlassen, in der er nach Verkündung des Gerichtsurteils unter Arrest gestellt worden war. «Ich denke, dass Nawalny nach dem Urteil die Sicherungen durchgebrannt sind», sagt dazu SRF-Korrespondent in Moskau, Christof Wanner.
Nawalny wieder in seiner Wohnung
Wanner spricht von «einer Art Sippenhaft», in welche die beiden Brüder Nawalny mit dem Urteil genommen worden seien: Alexejs Bruder Oleg muss für dreieinhalb Jahre ins Straflager, während Alexej mit einer Bewährungsstrafe davonkam.
Am späten Dienstagabend brachte die Polizei Nawalny sodann wieder in seine Wohnung zurück. Dies teilte er über den Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Mehrere Beamte seien dort geblieben und würden vor seiner Tür darüber wachen, dass er seine Wohnung nicht verlasse.
«Souveräne» Reaktion des Kremls
Korrespondent Wanner glaubt nicht, dass es zu weiteren Protesten von Oppositionellen kommt. Es stünden nun die Weihnachts- und Neujahrsfeierlichkeiten an, ausserdem sei es bitterkalt in Moskau. Insofern habe der Kreml sehr clever gehandelt, indem er die Verkündung des Urteils gegen Nawalny vorzog.
Auch setze man Nawalny «nur» unter Hausarrest und stecke ihn nicht ins Straflager, wie vor einigen Jahren etwa den Kremlkritiker und Oligarchen Michael Chodorkowski. «Jetzt reagiert der russische Staat wesentlich subtiler und souveräner», so Wanner. Man habe seit Chodorkowski viel gelernt. Man entledige sich des Kritikers Nawalny, ohne aus ihm einen Märtyrer zu machen.