Die Suche nach MH370 geht weiter
Das kleine Team von Experten des Joint Agency Coordination Centre (JACC) hat seinen Stützpunkt in einem unscheinbaren Bürogebäude im australischen Canberra.
«Wir sind zuversichtlich»
Von da aus koordiniert das Team die Sucharbeiten im südindischen Ozean. Seit einem Jahr versucht dort eine Gruppe aus Spezialisten, Wissenschaftlern, Matrosen und Sicherheitskräften dem Meer wenigstens einen Hinweis über den Verbleib der am 8. März 2014 verschwundenen malaysischen Passagiermaschine MH370 zu entreissen.
SRF hat die australische Einsatzleiterin Judith Zielke in Canberra getroffen und über ihre fast unlösbare Aufgabe gesprochen.
SRF-Korrespondent Urs Wälterlin : Frau Zielke, wie läuft die Suche nach MH370?
Judith Zielke : Bis heute haben wir etwa 40 Prozent jener Region abgesucht, die wir als Priorität erachten. Das sind etwa 24‘000 Quadratkilometer.
Wir arbeiten mit vier Schiffen. Die Reise per Schiff von der westaustralischen Küste ins Suchgebiet dauert sechs Tage. Die Mannschaften sind in der Regel für 30 Tage am Stück im Einsatz. Dazu kommen insgesamt 12 Tage Hin- und Rückfahrt. Wir machen Sonaraufnahmen des Meeresbodens und schauen, ob wir Wrackteile entdecken.
Welche Ausrüstung benutzen Sie?
Drei der Schiffe verfügen über ein Gerät, das man als «Towfish» bezeichnet. Ein Gerät, das hinter den Schiffen hergezogen wird. Diese Ausrüstung übermittelt aus einer Höhe von etwa 100 bis 200 Metern über dem Meeresboden Sonarbilder an das Schiff. Und das aus einer Tiefe von bis zu 6000 Metern.
Das vierte Schiff steuert eine automatisierte Art von U-Boot, die auch Sonarbilder schiesst, sich aber auf tiefe Schluchten und Gefälle im Meeresboden konzentriert.
Woher haben Sie diese hochspezialisierte Ausrüstung?
Die gesamten Geräte stammen von kommerziellen Anbietern aus mehreren Ländern, die unter Vertrag für uns arbeiten. Auch die Mannschaften kommen aus der ganzen Welt.
Sie haben die enorme Grösse der Suchzone erwähnt. Dabei tritt immer wieder der Begriff «Arc» auf – also Bogen. Was ist damit gemeint?
Der Fokus der Suchzone ist der sogenannte «siebte Bogen». Die Satellitenkommunikation mit dem Flugzeug ergab sieben sogenannte «Handshakes» mit MH370, wo die Maschine automatischen Kontakt mit den Satelliten aufgenommen hatte. Der letzte solche «Handshake» hat uns erlaubt, die Distanz zwischen Flugzeug und dem Satelliten zu errechnen. Damit kalkulierten wir einen Bogen um den Globus.
Dann schauten wir, wie lange die Maschine mit der noch verfügbaren Menge Brennstoff fliegen konnte. Diese Grösse verrechnen wir mit den Bogendaten und ermitteln so, bis zu welcher maximalen Stelle die Maschine mit ihrem Sprit hätte kommen können.
Das tönt wie die Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Glauben Sie persönlich, dass sich das Flugzeug dort befindet?
Die Information, die wir als Grundlage für die Suche nehmen, basiert auf Fakten. Die erwähnten „Handshakes“ sind die Basis für diese Information. Dazu gibt es noch andere Daten.
Die Truppe, die diese Strategie ausgearbeitet hat, ist aus den besten Experten der Welt zusammengesetzt. Wir sind stark darauf fokussiert, die beste Region für die Suche zu finden. Dort sind wir im Moment.
Die Suchregion ist berüchtigt für wildes Wetter und starke Strömungen. Glauben Sie nicht, dass eventuelle Überreste des Flugzeugs längst abgetrieben worden sind?
Das Gewicht des Flugzeugs hätte garantiert, dass es beim Sinken abgetrieben worden wäre. Aber es wäre immer noch in der ungefähren Gegend des Absturzortes. Selbstverständlich machen unsere Experten genau solche Analysen: Wie weit könnte das Flugzeug abgetrieben sein – sowohl auf der Wasseroberfläche als auch beim Sinken?
Entschuldigung – aber hier geht’s nicht ums Geld!
Ein gutes Beispiel ist Air France 447 (abgestürzt über dem Atlantik auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris am 1. Juni 2009, mit 228 Opfern; Anm. der Redaktion), wo Wrackteile auf dem Wasser gefunden wurden. Trotzdem dauerte es zwei Jahre, bis das Flugzeug auf dem Meeresgrund lokalisiert wurde. Wir hier sind dieser Suche aber total verpflichtet. Und wir hoffen, dass wir die Maschine so schnell wie möglich finden.
Nochmals: Es tönt alles extrem schwierig, ja fast unmöglich. Wieso sind Sie so optimistisch?
Ich kann nicht von mir weisen, dass wir es mit einem enorm grossen Suchgebiet zu tun haben. Und dort einen genauen Punkt zu finden, ist sehr schwierig. Aber, wie gesagt: Die Expertise, auf die wir bauen, ist extrem gut. Ausserdem müssen wir es tun, um die Frage zu beantworten, was mit MH370 geschehen ist.
Diese Suche ist extrem teuer. Wie lange wollen Sie damit noch weiterfahren?
Entschuldigung – aber hier geht’s nicht ums Geld! Die 26 Länder, die zu Beginn an dieser Suche beteiligt waren, haben ihre eigene Zeit zur Verfügung gestellt, ihre eigenen Mittel und Ressourcen. Sie haben ihre Kosten selbst getragen.
Was sind Ihre weiteren Pläne für die Suche?
Wir werden bis Mai in der gegenwärtigen Zone weitersuchen und das Flugzeug hoffentlich bis dann finden.
Und was, wenn Sie es nicht finden?
Wenn wir kein Glück haben und es nicht in der gegenwärtigen Prioritätszone lokalisieren können, werden die Regierungen der drei Länder – Malaysia, China und Australien – einen Entscheid treffen, wie es weitergehen soll. In den kommenden Wochen werden sich verschiedene Offizielle treffen, um diesbezügliche Diskussionen weiterzuführen.
Es gibt Experten, die meinen, eine technische Panne sei nicht der Grund für das Verschwinden von MH370 gewesen. Was ist Ihre Meinung?
Es gibt viele Theorien. Wir stellen sicher, dass wir alle Hinweise und Ideen zum Verschwinden und zur Suchstrategie in unsere Überlegungen einbauen. Wir sind zuversichtlich, dass wir im richtigen Gebiet sind – basierend auf der Information, die uns zu Verfügung steht.