Musik, Tanz und Karaoke gehören zu den Philippinen wie die jährlichen Wirbelstürme - auch in Towerville ausserhalb von Manila. Nach der Tanzprobe erzählt der 18-jährige Brian Cajida, wieso er vor sechs Jahren hierher gekommen ist, in diese Ansammlung aus einstöckigen Backsteinhütten auf den Hügeln im Nirgendwo: «Der Taifun Ondoy hat uns vertrieben. Es regnete und regnete. Das Wasser des nahen Flusses stieg stetig an, bis wir nichts mehr retten konnten ausser uns selbst.»
Die Regierung versprach Brians Familie 400 Franken und schaffte sie nach Towerville. Dort erwartete sie einzig ein Backsteinhaus ohne Fenster und Verputz. Brians Mutter Evelyn, eine mädchenhaft kleine Frau, hat den Boden mit einer rosa Plasticfolie überzogen, an den Wänden hängen die Medaillen von Schulwettkämpfen ihrer drei Kinder und ein Bild von Mutter Maria. In der Ecke steht ein Fernseher. Evelyn liebt Soap Operas. Der Ort sei ganz hübsch, sagt sie. Aber die 400 Franken, die ihnen die Regierung versprochen habe, hätten sie nie bekommen.
Es braucht mehr als Schutz vor Regen und Flut
Zehntausende von Menschen hat die Regierung seit 2001 nach Towerville umgesiedelt. Und dabei vergessen, dass die neue Gemeinschaft mehr braucht als Schutz vor Regen und Flut: ein Spital zum Beispiel, höhere Schulen und Arbeitsplätze. Die gibt es in Towerville nicht, dafür kriminelle Gangs und Drogen. Evelyns Familie überlegt sich deshalb, in die Hauptstadt Manila zu ziehen.
Auch Nurcy, ihr Mann und ihre vier Kinder sind auf der Suche nach Arbeit aus der Provinz in die Stadt gezogen. In einem Industriequartier von Manila haben sie aus Spanplatten eine Behausung gebaut, eine Bretterbude, nicht grösser als drei über einander liegende Einzelbetten, die Wölbung der Brücke als Dach. Wenn ein Taifun über die Stadt fege und das Wasser hier steige, dann werde ihre Hütte weggeschwemmt, sagt Nurcy. «Wir flüchten dann auf die Brücke und warten.»
Alle paar Monate kommen die Schlägertrupps
Am meisten aber fürchtet sich Nurcys Familie vor den Schlägertrupps der Regierung. Die kommen alle paar Monate, um die Hütten zu zerstören und die Menschen zu vertreiben. Um sie vor Fluten zu schützen, sagt die Regierung.
Doch das sei nur die halbe Wahrheit, kritisiert Butch Ablir, der Direktor der Zone One Tondo Organization, einer sozialen Organisation, die sich für die Rechte der Armen einsetzt: «Die Regierung will all die Hütten hier zerstören, die Leute vertreiben. Sie will Manila in eine moderne Stadt ohne sichtbare Armut verwandeln. Die Taifune nimmt sie als Anlass für die Vertreibungen. Das Problem löst sie dabei nicht. Die Leute kommen immer und immer wieder zurück.»