Es ist ein Paradox: das Ergebnis der Parlamentswahlen in Malaysia. Die seit 56 Jahren das südostasiatische Land regierende Koalition hat das schlechteste Resultat ihrer Geschichte eingefahren. Trotzdem sicherte sich die Barisan Nasional (BN - Nationale Front) eine komfortable Mehrheit.
Zwar verlor sie 7 Sitze, erreichte mit 133 Mandaten aber immer noch ein absolutes Mehr. Das Oppositionsbündnis kam auf 89 Sitze. Die BN profitierte vor allem vom Majorzsystem. Urs Morf, Ostasien-Korrespondent von Radio SRF, sagt: «Ein paar Tausend Stimmen in einer Dschungelprovinz sind ebenso viel wert, wie mehrere Hundertausend in einem Industriegebiet». Das Majorzsystem habe – wie in der Schweiz auch – föderalistische Gründe.
«Eine Katze im Sack»
Anwar Ibrahim führt die Oppositionsallianz Pakatan Rakyat (Volkspakt) an. Sie konnte zwar mehr Stimmen auf sich vereinen als bei den letzen Wahlen 2008. Doch das schlug sich nur in 14 Sitzen nieder. Die Umfragen vor den Wahlen liessen Anwar und seine Parteikollegen auf ein noch besseres Ergebnis hoffen.
«Die Regierung hat die Karte ‹Stabilität› sehr geschickt ausgespielt», sagt Morf. Die Koalition hat Anwar und sein Bündnis als «eine Katze im Sack» bezeichnet. Das Argument: Nach aussen gibt sich Pakatan Rakyat als pro-demokratisch. Doch im Bündnis mit dabei ist eine radikal-islamistische Partei. Diese hat in einigen Bundesstaaten schon die islamische Gesetzgebung, die Scharia, eingeführt.
Diskriminierung per Gesetz
Trotz der übersichtlichen Zugewinne der Opposition sprach Premierminister Najib Razak (BN) von einem «chinesischen Tsunami». Die chinesischstämmige Bevölkerung habe die Opposition deutlicher unterstützt als erwartet. «Wir werden uns um nationale Versöhnung bemühen und jede Form von Extremismus und Rassismus bekämpfen», sagte er.
Das muss er auch, will er ethnische Konflikte in Grenzen halten. Die politische Landschaft in dem Land mit 29 Millionen Einwohnern ist entlang der verschiedenen Ethnien gespalten. Die Parteien der Regierungskoalition vertreten jeweils nur die Interessen einer einzigen Bevölkerungsgruppe: Die grösste Partei kümmert sich um die Belange der Bevölkerungsmehrheit der ethnischen Malaien. Andere Parteien stehen für die Interessen chinesisch- und indischstämmiger Einwohner ein.
Eben diese chinesisch- und indischstämmigen Bürger fühlen sich diskriminiert. Diese Benachteiligung ist auch nicht von der Hand zu weisen. Die Regierung hat sie sogar gesetzlich festgeschrieben. Aus Angst vor einer chinesischen Dominanz der Wirtschaft regelte die Koalition bereits in den 1970er Jahren, wie viel Verwaltungsratssitze von Nicht-Malaien besetzt werden dürfen. Besondere Brisanz birgt das Thema Benachteiligung bei der Bildung: «Es kann geschehen, dass hochintelligente und hochqualifizierte Chinesen und Inder nicht an die Uni dürfen, weil halb so gute Malaien die Studienplätze bekommen».