1. Phantomschmerzen und reale Ängste
Zahlenmässig gibt es kein Flüchtlingsproblem in Mecklenburg-Vorpommern, gefühlt aber schon. Es ist eine Art Phantomschmerz. Auch wenn ein Bein amputiert ist, schmerzt es. Es ist ähnlich wie mit der Minarett-Abstimmung in der Schweiz: Es gibt kaum Minarette im Land, trotzdem gab es die Besorgnis. In Ostdeutschland haben die Menschen das Gefühl, sie müssten sich nun wieder anpassen, diesmal an die Flüchtlinge. Dies nachdem man sich, so die verbreitete Meinung, bereits nach der Wende anpassen musste. Zudem beunruhigt die Menschen in ganz Deutschland, dass man nicht weiss, wo sich einige zehntausend Flüchtlinge aufhalten.
2. Die drinnen gegen die draussen
Viele Menschen finden, dass Bundeskanzlerin Merkel nicht auf sie hört und dass «die da oben» – die Parteien, die Institutionen, die Medien – sowieso machen, was sie wollen. Nicht erst seit der Flüchtlingskrise, sondern schon seit der Euro-Krise. Ein Beispiel: Als ich auf Rügen war, sagte mir ein Mann: «Die Kommunen haben nicht genug Geld für Schultransporte. Die Eltern müssen 100 bis 150 Euro zuschiessen. Aber für die Flüchtlinge hat man immer Geld.» Hier liegt die Stärke der AfD: Früher spielte die politische Linke die «unten gegen die da oben aus», jetzt spielt die AfD «die drinnen gegen die draussen» aus – also Flüchtlinge gegen Einheimische. Das ist ein grosses Problem für die etablierten Parteien.
3. Protest als Selbstzweck
Die AfD hat seit dem 30. April ein Wahlprogramm. Sie selbst bezeichnet sich als konservativ und liberal, sie will tendenziell eher weniger Sozialausgaben. Die AfD will zum Beispiel die Erbschaftssteuer abschaffen. Das hilft sicher nicht den unteren Schichten, sondern eher denjenigen, die mehr besitzen. Weiter erwägt sie, die Gewerbesteuer und damit die Haupteinnahmequelle der Kommunen abzuschaffen. Wie die Kommunen dann den Schulbus bezahlen sollen, um auf das eben erwähnte Beispiel zurückzukommen, ist offen. Doch die Menschen, die die AfD wählen, sind nicht nur solche, die Sozialgelder benötigen. Die Wählerschaft zieht sich quer durch alle Schichten. Und zu zwei Dritteln wollen diese Menschen den etablierten Parteien einen Denkzettel geben.
4. Die Unlust am Mitgestalten
Die AfD muss den Beweis aber nicht antreten, dass sie es besser machen kann. Die anderen Parteien wollen im Mecklenburg -Vorpommern nicht mit ihr regieren, sie selbst will es auch nicht. Die AfD hat in dem Bundesland lediglich 500 Mitglieder, von denen künftig 18 ein Mandat im Landtag haben. Es ist schwierig Leute mit dem nötigen Know-how zu finden. Sie hat zwar angekündigt, dass sie konstruktiv mitwirken will. Aber die Partei sagt mal das eine, dann wieder das andere. Manchmal gibt sich die AfD gemässigt, dann wieder spricht sie von der Diktatorin Merkel. Faktisch hört man immer mal wieder von internen Querelen unter den Co-Vorsitzenden Petry und Meuthen. Konkretes hört man jedoch wenig.