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International Warum die indischen Städte hinduistische Namen erhalten

2014 wurde die südindische Stadt Bangalore in Bangluru umbenannt. Auch Strassen, Plätze, Flughäfen und Bahnhöfe werden umgetauft. Es geht um die Rückbesinnung auf die Kultur vor der Kolonialisierung, allerdings nur auf die hinduistische. In einem Viel-Kulturen-Staat ist das problematisch.

Länder und Städte, die einmal anders hiessen

Das Obergericht in Bombay, das Bombay High Court, soll in Mumbai High Court umgetauft werden. Das berät zurzeit das Indische Parlament. Die Stadt hat schliesslich schon 1995 ihren Namen geändert, also liegt es auf der Hand nun auch die Namen ihren Institutionen anzupassen. Doch ganz so belanglos sei das nicht, weiss der emeritierte Geschichtsprofessor der Delhi Universität K.M., Schrimali.

«Solche Änderungen sind nicht wertneutral. Sie werden immer aus einer Absicht heraus gemacht», sagt der emeritierte Professor. Indien versuche damit aus seiner kolonialen Vergangenheit herauszuwachsen.

So wurde in Mumbai der Bahnhof Victoria Terminus, in dem die Schlussszene des Films «Slumdog Millionaire» gedreht wurde, in Chatrapati Shivaji Terminus umbenannt.

Chatrapati Shivaji ist einer der grössten Kriegsführer der Hindu-Kultur, der vom heutigen Maharashtra aus diverse Feldzüge gegen die Mogulkaiser im Norden des Landes führte.

Einseitige Auffassung von indischer Kultur

Das sei das Werk der Hindu-Nationalisten, sagt der Gelehrte. Sie mobilisierten schon seit den 1960er Jahren die Menschen im Namen ihrer Helden. Glorifizierung der eigenen Kultur und Nationalismus, seien kein Indien-spezifisches Phänomen, gibt Schrimali zu. Er kritisiert jedoch, dass die Nationalisten in Indien nur auf einen bestimmten Teil der Kultur fokussieren.

Indischer Nationalismus sei für sie gleichbedeutend mit Hindu-Nationalismus. «Sie beanspruchten sozusagen das Nationalismus-Monopol für sich», sagt der emeritierte Professor. Die Minderheiten – Moslems, Christen, Sikhs, Buddhisten, Jains oder Parsis – werden nicht beachtet.

Bombay wurde zu Ehren der Hindu-Göttin Mumba Devi zu Mumbai. Aber über 40 Prozent der Bevölkerung in der Metropole sind nicht Hindus. Kaum ein Name wird geändert um zum Beispiel die islamischen Mogulkaiser zu glorifizieren, im Gegenteil. Strassen, die nach ihnen benannt wurden, würden sukzessive umgetauft, sagt Schrimali.

Tendenziöse Umschreibung der Geschichte

Die Akbar Road in Delhi soll bald in Maharana Pratab Singh Road umbenannt werden, just dem Herrscher, der den Mogulkaiser Akbar bekämpfte. «Geschichte wird nach religiösen Kriterium umgeschrieben in Indien, und das ist eine neue Auffassung von indischer Identität», sagt er.

In den 5000 Jahren der indischen Geschichte war Religion nie ein Identifikationsfaktor. Indien verstand sich immer als multi-ethnisch, multi-religiös. Doch das sei nicht, was die Hindu-Nationalisten wollten, sagt Schrimali: «Sie wollen ein Indien nur für die Hindus.»

Eine sich radikalisierende Kultur?

Die aktuelle Regierung steht diesen Bestrebungen unkritisch gegenüber. Das kreiert Spannungen, die sich in diversen religiös motivierten Übergriffen entladen. Kirchen werden geschändet, Muslime unter fadenscheinigen Vorwürfen diskriminiert. Die Namensänderungen sind nur ein Phänomen einer sich radikalisierenden Kultur in Indien. Wenn nun das Bombay High Court zum Mumbai High Court wird, ist das mehr als eine Namensänderung.

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