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International Warum Mursi in Berlin weilt

In Ägypten spitzt sich die Lage zu. Trotzdem ist Präsident Mohammed Mursi nach Berlin gereist. Allerdings kürzte er sein Programm von zwei auf einen Tag. Was will Mursi in Berlin?

Trotz anhaltender gewaltsamer Proteste in seiner Heimat hat der ägyptische Präsident Mohammed Mursi Kanzlerin Angela Merkel in Berlin getroffen. Der Besuch ist nach Angaben eines Regierungssprechers in Kairo allerdings auf einen Tag verkürzt worden.

Keine Visite in Paris

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Mursi sagte hingegen einen Frankreich-Besuch ab. Ein Sprecher Mursis sagte, der Präsident werde wie geplant nach Deutschland reisen, allerdings nur einen Tag bleiben. Dann werde Mursi nach Ägypten zurückkehren, um die Lage dort zu verfolgen. Als Teil von Mursis Besuch in Paris war auch ein Frühstück mit seinem Kollegen François Hollande geplant.

Merkel betonte nach dem Treffen mit Mursi: «Die Menschenrechte müssen eingehalten werden.» Für die deutsche Regierung sei es wichtig, dass zu allen politischen Kräften ein Gesprächsfaden vorhanden sei. Alle Parteien müssten aber ihren Beitrag leisten. Nur so könnten die Menschenrechte eingehalten und die Religionsfreiheit gelebt werden.

«Aus meiner Sicht ist eine gute, gedeihliche Wirtschaftsentwicklung ein Beitrag für stabile politische Verhältnisse», sagte die Kanzlerin.

Ausnahmezustand so lange wie nötig

Mursi versicherte, er wolle demokratische Reformen in seinem Land vorantreiben. «Ägypten wird ein Rechtsstaat sein», sagte er. Seine Verhängung des Notstands in Teilen des Landes verteidigte er als vorübergehende Massnahme.

«Sie dient der Sicherheit der Einwohner, um kriminellen Überfällen ein Ende zu setzen», sagte Mursi. Der Ausnahmezustand solle beendet werden, sobald keine Notwendigkeit mehr bestehe.

Auf die Frage, ob er die Opposition in eine Allparteienregierung einbinden wolle, sagte Mursi, es gebe eine stabile Regierung. Nach den Parlamentswahlen in wenigen Monaten werde über eine neue Regierung entschieden. Er sprach sich für einen Ausbau der deutsch-ägyptischen Beziehungen aus – verwahrte sich aber gegen die «Einmischung in interne Angelegenheiten».

Weibeln in Berlin

«Offenbar erhofft sich Mursi mehr Finanzhilfe von Kanzlerin Angela Merkel als von François Hollande», sagte Stefan Reinhart. Mit diesen Worten kommentierte der SRF-Korrespondent in Berlin die Tatsache, dass Mursi seinen Besuch in Frankreich gestrichen hat. Es gehe um einen Schuldenerlass von 250 Millionen Euro. Zudem erhoffe sich Mursi Investitionen von grossen deutschen Firmen und: Mursi wolle Werbung für Tourismus machen.

«Deutschland will den diplomatischen und wirtschaftlichen Kontakt zu Ägypten nicht verlieren. Denn fällt die deutsche Hilfe weg, könnte sich Mursi in Katar oder Saudi-Arabien Hilfe holen», sagt Reinhart. Diese Hilfe wäre dann allerdings  an Bedingungen geknüpft, die nicht im Interesse Europas sind.

Demonstration in Berlin

Auch die ägyptische Opposition hat Hoffnungen. Denn Deutschland geniesst in Ägypten seit jeher ein hohes Ansehen. «Die Opposition erwartet von Angela Merkel und der Politik, dass sie Mursi deutlich in die Pflicht nehmen», Pascal Weber. Weber ist SRF-Korrespondent in Kairo. Die Opposition setzt darauf, dass ein allfälliger Schuldenerlass oder die Zahlung von Hilfsgeldern an klare Bedingungen geknüpft werden. «Die Opposition erhofft sich durchaus von Deutschland, dass ein echter Demokratieprozess unterstützt werden kann.» Deutschland werde in Ägypten weniger als Macht gesehen, die eine eigene versteckte Agenda führe als die USA oder Grossbritannien.

Angela Merkel (l) und Mohammed Mursi
Legende: Ägyptens Präsident Mohammed Mursi erhofft sich einen Schuldenerlass von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. Reuters

Mursis Besuch sorgt auch für Kritik in Berlin. «Es gab Demonstrationen von Amnesty International und Exil-Ägyptern», erklärt Reinhart.

Der 61jährige ist seit Juni im Amt. Der Besuch in Berlin ist einer seiner ersten offiziellen Aufenthalte im Westen.

Zwei Tote in Kairo

Oppositionspolitiker Mohammed El-Baradei meldete sich via Twitter. Er forderte ein Krisentreffen zwischen Mursi, weiteren Amtsträgern, Islamistengruppen und der Opposition. Man müsse sich einigen, um die Gewaltwelle zu stoppen.

Dies ist nötig: Bei neuen Krawallen in der ägyptischen Hauptstadt Kairo sind am Mittwoch zwei Menschen getötet worden. Die beiden Männer seien am Rande des Tahrirplatzes in der Innenstadt von Schrotkugeln getroffen worden. Das eine Opfer war auf der Stelle tot. Das andere erlag seinen Verletzungen im Spital, hiess es aus Sicherheitskreisen.

Seit Donnerstag vergangener Woche kommt es in Ägypten zu Krawallen. Über 50 Menschen sind dabei getötet worden. Das Militär hat angesichts der Gewalt vor einem Zusammenbruch des Staates gewarnt.

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