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Kurdische Peschmerga-Kämpferinnen in Nordirak (Archiv).
Legende: Sie sollen trainiert werden: Kurdische Peschmerga-Kämpfer(innen) in Nordirak (Archiv). Keystone

International «Was die Türkei tut, ist nicht durch die Koalition abgedeckt»

Dass die Türkei 150 Soldaten in den Nordirak entsandte, stösst Bagdad vor den Kopf. Ankara indes versteht die Aufregung nicht – sind doch längst türkische Truppen im Nordirak stationiert. Was steht hinter dem Streit zwischen den beiden vorderasiatischen Ländern? Eine Einschätzung von Inga Rogg.

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Die Türkei hat 150 Soldaten in den Nordirak geschickt, die dort Kämpfer der kurdischen Peschmerga ausbilden sollen. Konkret geht es um die Region Mossul, eine Hochburg der Terroristen des IS.

Wenig Freude daran hat die Regierung in Bagdad. Die Entsendung der Einsatzkräfte sei ohne Zustimmung erfolgt und eine «ernste Verletzung der Souveränität», liess der irakische Ministerpräsident Al-Abadi verlauten. Die Soldaten müssten sofort abgezogen werden.

Inga Rogg

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Legende: ZVG

Inga Rogg ist NZZ-Journalistin und lebt zeitweise im Irak. Zurzeit ist sie in Istanbul. Seit 2003 berichtet sie für die NZZ und die «NZZ am Sonntag» aus dem Irak, seit 2009 ist sie auch für SRF im Einsatz.

SRF News: Wie ernst ist diese Forderung zu nehmen?

Inga Rogg: Grundsätzlich muss die Türkei diese Forderung ernst nehmen. Denn die Basis, auf der diese Truppen verlegt wurden, befindet sich in der Nähe von Mossul. Das ist Gebiet, das nicht von Kurden kontrolliert wird, sondern eigentlich der irakischen Zentralregierung untersteht.

Türkische Ausbilder sind schon länger im Irak stationiert. Was ist der Grund, warum Bagdad jetzt plötzlich von einer ernsten Verletzung der Souveränität spricht?

Es gibt verschiedene türkische Einheiten im Nordirak, respektive in den kurdischen Gebieten. Zum einen die, welche die Peschmerga ausbilden, die sind auf kurdischem Territorium. Und dann gibt es eben diese spezielle Einheit in der Nähe von Mossul, die sunnitische Kämpfer trainieren soll.

Der irakische Ministerpräsident steht unter enormem Druck, was ausländische Soldaten angeht.
Autor: Inga Rogg Nahostkorrespondentin der NZZ

Den Aufruhr ausgelöst haben nun offenbar Medienberichte, dass die Türkei Hunderte von Soldaten mit Panzern und schwerer Artillerie entsandt hat – und sich auch am Angriff auf die vom IS gehaltene Stadt Mossul beteiligen wolle. Das hat auf Seiten von Bagdad wohl für Verärgerung gesorgt. Dann spielt auch noch eine Rolle, dass der Ministerpräsident, seines Zeichens ein Schiit, unter enormem Druck steht, was ausländische Soldaten angeht. Nachdem die Amerikaner angekündigt hatten, dass sie Spezialeinheiten nach Irak senden wollen, sind vor allem die Schiiten alarmiert.

Die türkische Regierung versteht die Aufregung nicht und gibt an, die Staaten der Anti-IS-Koalition seien informiert über den Schritt – was die USA bestreiten. Weiss da der eine nicht, was der andere tut?

Die Amerikaner wissen, dass es diese Ausbildungstruppen gibt. Aber sie sind nicht Teil der Anti-IS-Koalition. Diese türkischen Einheiten beteiligen sich nämlich nicht direkt am Kampf gegen IS, wie es jetzt etwa jene deutschen Soldaten tun, die Peschmerga-Kämpfer ausbilden. Das, woran sich die irakische Regierung stört, ist, dass es ein Alleingang der Türkei und nicht durch die Koalition abgedeckt ist.

Die Türkei bekämpft die Kurden im eigenen Land und auch in Syrien rigoros. Sie hilft kurdischen Peschmerga-Kämpfern aber im Irak. Wie passt das zusammen?

In Syrien sind es kurdische Kämpfer, die mit der PKK verbündet sind, welche die Türkei ja bekämpft. Mit anderen Worten: Die Türkei will nicht, dass die Kurden in Syrien erstarken und eine Autonomie-Region ausrufen wie jetzt die Kurden im Nordirak. Mit den nordirakischen Kurden, speziell mit den Kämpfern von Masud Barzani, hat die Türkei hingegen beste Beziehungen.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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