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International Wehrpflicht oder Berufsarmee? Österreicher entscheiden

Miliz- oder Berufssoldaten: Die Österreicher können sagen, welche Armee sie für die Zukunft wollen. Es ist die erste Volksbefragung nach 19 Jahren. Und damit auch ein Test für mehr direkte Demokratie. Doch das Fazit nach dem Abstimmungskampf ist ernüchternd.

Sachlich diskutieren wäre gut und recht. Aber wie, wenn die grundlegenden Informationen fehlen und die Politiker ständig ihre Positionen wechseln? So mögen es viele Österreicherinnen und Österreicher vor der Volksbefragung zur Wehrpflicht sehen. Noch sind manche Fragen offen, ja, es wird regelrecht auf Panik gemacht.

Soldaten der österreichischen Ehrengarde an einer Parade in Wien.
Legende: Wie soll es weitergehen? Es bleiben laut Kritikern viele Fragen offen, was die künftige Rolle der Armee angeht. Reuters

Die Gegner der Berufsarmee sagen: Bei Hochwasser oder Lawinenniedergängen fehlten künftig Soldaten und Zivildiener als Helfer. Zudem würden 20‘000 Liter weniger Blut gespendet. Die Anhänger der Berufsarmee warnen: Bald müssten auch Frauen obligatorisch Dienst leisten. Kommentar der Zeitschrift Profil: «Im schrillen Koalitionskrieg vor der Volksbefragung über die Bundesheer-Zukunft sind die ersten Opfer Vernunft und Wahrheit.»

Viel Polemik um die künftige Rolle

Die populäre Kronen Zeitung kritisiert: Die Regierung habe die Bürger zu wenig über Wehrpflicht und Profi-Heer informiert. Und dann beantwortet die Zeitung 20 brennende Fragen gleich selbst: Ja, die Neutralität bleibe bestehen, und Katastrophen-Einsätze werde man auch mit Berufssoldaten leisten. Nein, Ausländer dürften auch künftig nicht in die Armee, und Rechtsextreme werde man nicht akzeptieren.

«Keine Zahlen oder Unterlagen: Viele haben das Gefühl, eine Katze zu kaufen. Das sind keine guten Voraussetzung für die erste Abstimmung seit 19 Jahren», sagt SRF-Korrespondent Joe Schelbert.

Die Koalitionsregierung von ÖVP und SPÖ lobt sich gern selbst, sie komme dem Ruf nach mehr Demokratie nach. Aber wie das hier geschehe, meinen Kritiker, leiste man der Sache einen Bärendienst.

Statt sachlicher Grundsatzdiskussion ist die Volksbefragung zum schmutzigen Wahlkampf verkommen. Im Herbst stehen in Österreich Nationalratswahlen an. Die etablierten Regierungsparteien SPÖ und ÖVP stehen unter Druck. Sie könnten zusammen die Mehrheit verlieren - erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die kleineren Parteien FPÖ, Team Stornach und die Grünen nähern sich zusammen der 50-Prozent-Marke.

Die Sozialdemokraten werden sich am Sonntag für eine Berufsarmee aussprechen. SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos bezeichnet den Wehrdienst als «Zwangsdienst», der «megasinnlos» sei.

Stimmbeteiligung ist relevant

Die christlich-soziale ÖVP hingegen sieht in der sozialdemokratischen Berufsarmee eine «Söldnertruppe» aus «Unterschichten und Kriminellen». Grotesk sind nicht nur die Vorwürfe, grotesk ist vor allem die Tatsache, dass beide Parteien heute das Gegenteil von ihren früheren Positionen vertreten.  

Das Magazin Profil schreibt: «Dass die Grossparteien Debatten über das Wehrsystem bevorzugt aus parteitaktischen Überlegungen führen, hat Tradition.» Eine Grundsatzdiskussion täte gut.

Mit einem Bundesheerbudget von zwei Milliarden Euro (0,6 Prozent des BIP) liegt Österreich weit tiefer als vergleichbare neutrale Länder wie die Schweiz oder Schweden.

Gemäss Umfragen dürften sich die Österreicher eher gegen eine Berufsarmee entscheiden. Das Ergebnis ist rechtlich nicht bindend. Aber die Parteien sagten im Vorfeld, sie würden den Volkswillen akzeptieren.

Genauso wichtig wie das Abstimmungsergebnis werde die Stimmbeteiligung sein, sagt SRF-Korrespondent Joe Schelbert. «Denn davon hängt auch ab, ob die erhoffte seriöse Debatte über einen Ausbau der direkten Demokratie im Lande überhaupt eine Chance hat.»

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