Die Europäische Union und die USA haben vor einem drohenden Misserfolg der 9. Welthandelskonferenz auf Bali gewarnt. «Die Sturmwolken des Scheiterns hängen direkt über uns», sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Rande der Verhandlungen.
Die Vereinbarung wird vor allem durch Indien blockiert. Ein Scheitern des sogenannten Bali-Pakets werde schwerwiegende Folgen für die internationale Gemeinschaft, das Welthandelssystem sowie auch für die Welthandelsorganisation (WTO) selbst haben, warnte De Gucht.
Streit um Ernährung mit Delhi
Zuvor hatte Indien ungeachtet zahlreicher Appelle deutlich gemacht, dass es die Annahme des Bali-Vertragspaket weiter blockieren will. Delhi will die darin vorgesehene Befristung staatlicher Agrarsubventionen zum Aufbau von Nahrungsmittelreserven auf vier Jahre nicht akzeptieren.
«Für Indien ist Nahrungsmittelsicherheit nicht verhandelbar», betonte dessen Handelsminister Anand Sharma. Jedes WTO-Abkommen müsse das Grundrecht auf Nahrung berücksichtigen. Die indische Regierung verlangt eine dauerhafte «Friedensklausel», die es anderen Staaten verwehren würde, Indien bei der WTO wegen unerlaubter Subventionen im Agrarbereich zu verklagen.
Erfolgreiche Verhandlungen erfordern Kompromisse
Die USA und die EU, aber auch Entwicklungsländer wie Pakistan und Thailand lehnen dies ab. Sie bestehen darauf, dass solche Ausnahmen nur befristet gewährt werden. Das Vertragswerk sieht neben dem Abbau von Agrarsubventionen auch Vereinfachungen bei der Zollabwicklung und verbesserte Exportmöglichkeiten für Entwicklungsländer vor.
Experten zufolge könnten damit Wachstumsimpulse im Umfang von bis zu einer Billion US-Dollar erreicht werden. Zudem soll es durch das Bali-Paket ermöglicht werden, die seit Jahren stagnierende Doha-Welthandelsrunde wiederzubeleben.
Der US-Handelsbeauftragte Michael Froman erklärte, ein Misserfolg wäre «ein lähmender Schlag für die WTO als Forum multilateraler Verhandlungen». Ohne Indien namentlich zu nennen sagte Froman, keines der 159 WTO-Mitgliedsländer könne alles bekommen, was es wolle.
Auch die USA hätten bei den wochenlangen Vorverhandlungen über das Bali-Paket in Genf immer wieder Kompromisse akzeptiert. Weitere Versuche zur Überbrückung der Differenzen wollten die Handelsminister und anderen Regierungsvertreter der WTO-Staaten hinter verschlossenen Türen unternehmen.
Schweiz appelliert: «Die Ziellinie ist in Sicht»
WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo rief alle Regierungen auf, den politischen Willen zu einer Einigung aufzubringen. In die gleiche Richtung gehen auch Äusserungen von Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Er rief die WTO-Mitgliedstaaten auf, die einmalige Möglichkeit für ein Vertragswerk für den globalen Abbau von Handelsbarrieren zu ergreifen.
Gleichzeitig warnte er vor einem schweren Rückschlag für das multilaterale System, sollte keine Lösung gefunden werden. «Wir haben eine einmalige Chance der WTO wichtige Impulse zu geben. Wir müssen diese Möglichkeit nutzen - hier und jetzt», sagte Schneider-Ammann am Rande der Tagung.
«Vor uns liegt ein fast fertiges Paket. Dieses Resultat ist von grossem Wert für die Entwicklungsländer und die Industrienationen. Die Ziellinie ist in Sicht. Überschreiten wir sie», sagte Schneider-Ammann.