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Interview mit Lina Attalah «Ich werde nicht weglaufen»

Die ägyptische Regierung hat den Zugang zu 21 Websites gesperrt. Darunter sind viele islamistische oder von Katar unterstützte Seiten – aber auch das Portal «Mada Masr». Chefredaktorin Lina Attalah will trotzdem weiterkämpfen.

SRF News: Hat ihr Newsportal eine Verbindung mit Islamisten oder Katar?

Lina Attalah: Nein, überhaupt nicht. Unsere Webseite ist eine politisch neutrale Nachrichtenplattform, die 2013 gegründet wurde und sich seither mit Geschichten über Wirtschaft, Politik, aber auch Kultur in Ägypten einen Namen gemacht hat. Unser tägliches Ziel ist es, Informationen ohne ideologische Scheuklappen zu analysieren. So funktioniert unsere Webseite – und deshalb ist es auch falsch, wenn man uns mit Katar oder den Muslimbrüdern in Verbindung bringt. Es stimmt schlicht nicht.

Was könnte die Zensurbehörde denn gegen «Mada Masr» haben? Die Regierung streitet ja ab, für die Blockade verantwortlich zu sein.

Ich glaube, unsere Webseite wurde gesperrt, weil wir ein paar Geschichten veröffentlicht haben, die die Behörden lieber nicht hätten lesen wollen. Sie sehen darin ziemlich unglücklich aus. Kommt hinzu, dass man ein Interesse daran hat, Lokalmedien wie uns auf Regierungskurs zu trimmen, weil wir eine grosse Leserschaft in der Bevölkerung haben. Dass wir uns davon nicht einschüchtern lassen und weiterhin frei berichten – eben auch über beschämende Korruptionsfälle in Politik und Wirtschaft – dürfte der Grund sein, weshalb man uns jetzt blockiert hat.

Bis jetzt haben wir kein Wort gehört, auch keine Anklage, Busse oder sowas. Somit gibt es auch keinen legalen Grund, uns zu sperren.
Autor: Lina Attalah «Mada Masr»

Und was machen Sie nun?

Wir versuchen weiterhin auf Kanälen, die nicht blockiert wurden, zu publizieren – zum Beispiel auf Social Media aber auch auf unserer Webseite. Sie ist über gewisse IP-Adressen und im Ausland weiterhin verfügbar. Zusätzlich versuchen wir natürlich, im Kontakt mit den Behörden herauszufinden, was der wahre Grund für diese Sperrung ist. Bis jetzt haben wir kein Wort gehört, auch keine Anklage, Busse oder sowas. Somit gibt es auch keinen legalen Grund, uns zu sperren.

Unter Mubarak wurden jeweils ein oder zwei Journalisten verhaftet, um die übrigen einzuschüchtern. Heute ist das Regime viel strikter und sperrt eben mal Webseiten ohne rechtliche Grundlage.
Autor: Lina Attalah Chefredaktorin «Mada Masr»

Auffallend ist, dass die Blockade einige Tage nach dem Gipfel in Riad erfolgt, als die arabischen Staaten zusammen mit dem US-Präsidenten Donald Trump dem Terrorismus den Kampf ansagten – hat das einen Zusammenhang?

Es ist möglich, dass es ein Teil des unterzeichneten Deals ist, die Medien in Ägypten besser zu kontrollieren. Gleichzeitig aber ergibt das wenig Sinn, weil wir eines der wenigen Medien waren, die ausführlich über den IS-Anschlag auf ägyptische Kopten am vergangenen Wochenende berichtet haben. Wir waren vor Ort und haben mit den Familien der Opfer gesprochen. Die Sperrung unserer Webseite mit dem Kampf gegen den Terrorismus zu begründen, erscheint wenig plausibel, wenn eben genau wir wahrheitsgetreu über Terrorismus in Ägypten berichten.

Schon unter dem ehemaligen Diktator Mubarak gab es Zensur in Ägypten – was ist eigentlich anders unter Assisi?

Unter Mubarak gab es keine Webseiten, die blockiert wurden. Das ist alles neu für uns. Unter Mubarak wurden jeweils ein oder zwei Journalisten verhaftet, um die übrigen einzuschüchtern. Heute ist das Regime viel strikter und sperrt eben mal Webseiten ohne rechtliche Grundlage. Dass man uns Journalisten marginalisieren will, war schon früher der Fall, aber diese Art von Zensur heute ist so noch nie dagewesen. Ich interpretiere das als eine Angst der Behörden vor der alternativen Macht und dem Einfluss, den unabhängige Webseiten wie unsere durch die Veröffentlichung von Geschichten erhalten.

Sie weilen derzeit in Frankreich, haben Sie Angst zurückzukehren?

Überhaupt nicht, ich komme in ein paar Tagen zurück.

Fühlen Sie sich sicher?

Ich weiss es nicht. Aber weglaufen werde ich nicht.

Das Gespräch führte Isabelle Jacobi

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