Eine Fernsehstation in Nazareth sendet auf einem Platz Sendungen zu den Wahlen. Freiwillige fordern Passanten auf, zu wählen. In Nazareth sind es vor allem israelisch-arabische Wählerinnen und Wähler, sie sind da in der Mehrheit. «Diese Wahlen sind wichtiger denn je, wegen all der Drohungen, die Netanjahu uns gegenüber macht», sagt Hiba Yazbek.
Die 22-Jährige aus Nazareth studiert an der Universität Tel Aviv. Sie ist besorgt, weil der Premierminister gedroht hat, den Palästinensern noch mehr Land wegzunehmen. Und weil er in israelisch-palästinensischen Wahllokalen systematisch Überwachungskameras installieren wollte. Das hat ihm der Vorsitzende der Wahlkommission, ein Richter, allerdings verboten.
Hiba Yazbek ist überzeugt, dass israelisch-arabische Wählerinnen und Wähler es in der Hand haben, eine erneute Wiederwahl von Netanjahu zu verhindern.
Auch Ghadir Hani glaubt, dass jede Stimme zählt. Sie trägt ein Kopftuch und ein palästinensisch besticktes Kleid, bezeichnet sich als Feministin und will vor allem Frauen überzeugen, zu wählen. Ihr Vorbild ist Rosa Parks, die afroamerikanische Bürgerrechtsikone, die sich weigerte, im Bus einem Weissen Platz zu machen. «Um etwas zu verändern braucht es Menschen wie Rosa Parks. Unser Wahlrecht ist das einzige, das uns Macht gibt!» sagt die Palästinenserin.
«Jüdischer Kandidat vertritt mich besser»
So euphorisch ist Azmi Hakim, ein ehemaliger Gemeindepolitiker aus Nazareth, nicht. Mit den palästinensischen Politikern der Vereinigten Arabischen Parteien kann er nichts anfangen, obwohl er Palästinenser ist. «Ich fühle mich von einem jüdischen Kandidaten am besten verteten», sagt er. Ein Araber, der einen jüdischen Kandidaten wählt, sei kein Widerspruch, sagt Hakim, er selbst sei Kommunist.
Bei der Vereinigten Arabischen Liste seien aber unter anderem die Islamisten dabei. Die würden das Gegenteil von seinen Werten vertreten. «Die Islamisten haben ganz andere Vorstellungen von der Rolle der Frau als ich», sagt er. Ihre Kandidaten seien zudem für die Verfolgung von Homosexuellen, er hingegen gar nicht.
Die israelischen Parteien behandelten die arabischen Stimmberechtigten als einen einheitlichen Block, aber zwei Millionen Menschen hätten doch nicht alle dieselbe Meinung. Die Hoffnung, sie zusammen könnten Netanjahus Wiederwahl verhindern, ist für ihn nicht stichhaltig. «Das ist doch Unsinn. Wenn’s knapp wird, macht Netanjahu mit Gantz eine grosse Koalition und uns Araber schicken sie zum Teufel,» sagt Hakim.
Neuwahlen als Chance
Der bekannte israelisch-arabische Politkommentator Nazir Mjalli lässt Argumente gegen eine Teilnahme an den Wahlen nicht gelten. «Eine Koalition von Netanjahus Likud und der Mittepartei von Gantz ist besser für uns als eine rechte Regierung», ist Mjalli überzeugt. Eine rechte Regierung werde ihre Annexionspolitik in den Palästinensergebieten fortsetzen.
Eine Mitte-rechts Koalition würde immerhin für eine Art Gegengewicht sorgen. Netanjahus Politik sei gefährlich für die ganze Region, glaubt der Politexperte.
Vor vier Jahren war der vereinigte arabische Parteienblock die drittstärkste Kraft in der Knesset, bis sich die Parteien wieder zerstritten. Yazbek sieht die Neuwahlen als zweite Chance: «Klar ist es undemokratisch, wenn zwei Millionen Menschen nur eine Partei wählen können», sagt sie. «Aber es ist wohl die beste Gelegenheit, die wir bekommen.»