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Istanbul-Konvention Hunderte Türkinnen und Türken fordern Erdogans Rücktritt

  • Die Türkei ist aus der sogenannten Istanbul-Konvention ausgetreten, die Gewalt an Frauen verhüten und bekämpfen soll.
  • Eine entsprechende Entscheidung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurde in der Nacht zu Samstag im Amtsblatt veröffentlicht.
  • Aktivistinnen von «Wir werden Frauenmorde stoppen» riefen via Twitter zu Protesten auf, hunderte Frauen und Männer folgten ihnen.
  • Erdogan hatte erst Anfang März einen «Aktionsplan für Menschenrechte» angekündigt, darunter den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen

Die Istanbul Konvention – eine internationale Vereinbarung – war 2011 vom Europarat ausgearbeitet worden und sollte einen europaweiten Rechtsrahmen schaffen, um Gewalt gegen Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Erdogan selbst hatte die Konvention in Istanbul – dem Ort der finalen Einigung – unterschrieben, damals noch als Ministerpräsident. Später wurde sie in der Türkei zwar auch entsprechend ratifiziert, laut der Organisation «Wir werden Frauenmorde stoppen» aber nie angewendet.

Gewalt gegen Frauen ein verbreitetes Problem

In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Diskussionen über einen möglichen Austritt aus der Konvention. Sie war von einer konservativ-religiösen Plattform losgetreten worden, die unter anderem Religion, Ehre und Anstand durch das Abkommen gefährdet sah.

Gewalt an Frauen ist in der Türkei wie in vielen Ländern ein verbreitetes Problem. Nach Angaben von Frauenrechtsorganisationen wurden allein im vergangenen Jahr mindestens 300 Frauen in der Türkei von Männern ermordet. Erst kürzlich sorgte die Vergewaltigung und der Mord an einer 92-Jährigen für Empörung sowie das Video einer brutalen Tat, bei der sich ein Mann an seiner Ex-Frau verging.

«Leben von Millionen Frauen gefährdet»

Frauenorganisationen riefen sofort zu Demonstrationen im ganzen Land unter dem Slogan «Zieht die Entscheidung zurück, setzt den Vertrag um» auf. Sie sagten, ihr jahrelanger Kampf würde nicht in einer Nacht ausgelöscht werden. In Istanbul versammelten sich hunderte Frauen und Unterstützer. Mit Masken und Transparenten forderten sie Erdogans Rücktritt und riefen Pro-LGBTQ-Slogans. Bislang wurden sie von der Polizei geduldet.

Die Generalsekretärin von «Wir werden Frauenmorde stoppen», Fidan Ataselim, sagte, die Regierung gefährde mit dem Austritt das Leben von Millionen Frauen. Sie forderte die Führung auf, die Entscheidung zurückzunehmen und die Konvention anzuwenden. In einem auf Twitter geteilten Video sagte sie: «Ihr könnt Millionen Frauen nicht zu Hause einsperren, ihr könnt Millionen Frauen nicht von den Strassen und Plätzen ausradieren.»

«Türkei muss andere nicht imitieren»

Die stellvertretende Vorsitzende der grössten Oppositionspartei CHP, Gökce Gökcen, erklärte, ein Austritt bedeute, dass Frauen weiter «Bürger zweiter Klasse sind und getötet werden». Der oppositionelle Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu schrieb auf Twitter, der Austritt aus der Konvention sei «sehr schmerzhaft». Dies missachte den jahrelangen Kampf von Frauen.

Vizepräsident Fuat Oktay verteidigte die Entscheidung dagegen und schrieb auf Twitter, die Türkei müsse andere nicht imitieren. Die Lösung für den Schutz von Frauenrechten «liegt in unseren eigenen Bräuchen und Traditionen».

Der Europarat sprach von «verheerenden Nachrichten». Dieser Schritt sei ein «grosser Rückschlag» für die Bemühungen, Frauen zu schützen. Er gefährde den Schutz von Frauen «in der Türkei, in ganz Europa und darüber hinaus», hiess es in einer Erklärung.

SRF 4 News, 20.3.2021, 9 Uhr ; 

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