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Italien und Ungarn Disput über demütigende Bilder einer Gefangenen in Budapest

Die italienische Öffentlichkeit zeigt sich entsetzt, dass eine Frau wie ein Hund vorgeführt wird. Was steckt dahinter?

Worum geht es? Ilaria Salis ist eine 39-jährige Italienerin, die seit rund einem Jahr in Ungarn im Gefängnis sitzt. Sie wurde nach einer Demonstration in Budapest gegen Neonazis im Februar 2023 festgenommen. Ihr wird vorgeworfen, zwei Neonazis angegriffen und schwer verletzt zu haben. Allerdings habe beide Männer keine Klage gegen sie erhoben. Ihr wird auch vorgeworfen, zur linksextremen deutschen Hammerbande zu gehören.

Eine Frau wird an einer Kette in einen Gerichtssaal geführt
Legende: Dieses Bild hat viele Italienerinnen und Italiener aufgerüttelt: Ilaria Salis in Handschellen, Fussfesseln und an einer Kette. Screenshot/SRF/AP

Warum erregt der Fall gerade jetzt Aufmerksamkeit? Franco Battel, SRF-Italien-Korrespondent, sagt dazu: «Anfang Woche wurden in Italien Fotos publiziert, wie die fast 40-jährige Frau an einer Kette in den Gerichtssaal gebracht wird, an Händen und Füssen gefesselt. Das ist ein Bild wie aus dem strafrechtlichen Mittelalter, als sei Ilaria Salis ein Hund, den man an einer Leine führt», sagt der Korrespondent. Diese Bilder hätten in Italien Empörung ausgelöst.

Warum sympathisieren viele Italienerinnen und Italiener mit der Frau? Dies liege daran, dass italienische Medien Auszüge aus Briefen von Ilaria Salis an ihren Vater veröffentlicht habe, so der Korrespondent. «Sie beschreibt, dass sie selten saubere Wäsche bekomme und dass man ihr beispielsweise Menstruationsbinden vorenthalte. In ihrer Zelle – die sie mit anderen Frauen teilt – gebe es Ungeziefer. Man gebe ihr zudem nicht ihre eigenen, sondern zu kleine Schuhe, in denen jeder Schritt schmerze.»

Was hat die italienische Ministerpräsidentin unternommen? Giorgia Meloni hat den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán am Rande des EU-Gipfels in Brüssel auf den Fall angesprochen. Sie habe mit ihm über die Haftbedingungen von Ilaria Salis geredet, berichten Nachrichtenagenturen. Meloni fordert ein rasches Urteil für Ilaria Salis; sie hoffe, Salis könne ihre Unschuld beweisen. Während Gefangene in Italien niemals in Fussfesseln und an Ketten gelegt würden, sei dies in Ungarn normal. Und weiter: «So wird es in souveränen Staaten gemacht, auch im Westen.»

Warum ist der Fall für Meloni heikel? Wenn es Meloni nicht schaffe, weitere demütigende Bilder von Salis zu vermeiden, werde dies auf Meloni zurückfallen, sagt der SRF-Korrespondent. «In der Öffentlichkeit könnte der Eindruck entstehen, dass die Ministerpräsidentin unfähig sei, eine in Not geratene Italienerin zu schützen.»

Wie ist das Verhältnis zwischen Orbán und Meloni? Die beiden pflegen einen freundschaftlichen Umgang. «Diese Freundschaft mit Orbán hat ihr wahlarithmetisch sicher nie geholfen», sagt Battel. Orbán ist auch in Italien als Autokrat bekannt. Meloni könne über diese Freundschaft sicher einen gewissen Druck auf Orbán ausüben, sagt der Korrespondent nur: «Irgendwann wird Orbán öffentlich sagen, dass nicht er es ist, der über diesen Fall entscheidet.»

Was ist der tiefere Grund für die Aufregung in Italien? Es gehe längst nicht mehr nur um den Einzelfall von Ilaria Salis, sagt Korrespondent Battel. «Es geht in Italien schnell mal um die nationale Ehre, und dieser Fall hat das Potenzial, Meloni zu schaden.»

SRF 4 News, 02.02.2024, 06:47 Uhr ; 

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