Eine ernsthafte Diskussion über Wirtschaftspakete und politische Reformen ist derzeit in Italien nicht möglich. Seit Berlusconi seinen «schockierenden Vorschlag» – wie er in Italien genannt wird – angekündigt hat, kreist der Wahlkampf nur noch um die populistischen Wahlversprechen des Medienzaren. Er will die verhasste Immobiliensteuer abschaffen und eine Steueramnestie durchsetzen.
Der 76jährige TV-Unternehmer hat unbestritten ein gutes Gefühl für die Stimmung der Wähler. Die von der Regierung Mario Montis eingeführte einmalige Grundsteuer auf Eigentumswohnungen gehörte im vergangenen Jahr für viele Italiener zu den besonders verhassten Abgaben.
Schätzungen zufolge haben zwar Familien weniger als 300 Euro für ihren ersten Wohnsitz bezahlt; doch in Metropolen wie Rom oder Mailand fiel die Steuer höher aus. Die Abgabe in zwei Raten musste Mitte Dezember entrichtet werden. Dies drückte zur Bestürzung des Handels den ohnehin schon flauen Konsum in der Weihnachtszeit.
Steuerabkommen mit der Schweiz geplant
Kein Wunder, dass das Versprechen, die Immobiliensteuer abzuschaffen und sogar zurückzuerstatten, die Wähler anspricht. Vor allem in einem Land, wo vier von fünf Personen in den eignen vier Wänden wohnen.
Insgesamt kamen 4 Milliarden Euro für den ersten Wohnsitz und 19 Milliarden Euro für Zweitwohnungen und Gewerbeimmobilien in die Staatskasse. Nun will Berlusconi so schnell wie möglich mit der Schweiz ein Steuerabkommen schliessen. Die dadurch erhaltenen Mittel sollen dann für die Rückzahlung von 4 Milliarden Euro für 2012 und weiteren 4 Milliarden Euro für das laufende Jahr verwendet werden.
Doch der TV-Unternehmer geht mit seinen Wahlversprechen noch viel weiter: «Wenn ich die Mehrheit habe, werde ich die Komplettamnestie durchsetzen», lockt er die Wähler. Sämtliche Steuerhinterziehungen wären damit vergeben und vergessen. Das wäre eine Generalamnestie für alle Steuersünden der Vergangenheit.
Gegner sind auf der Hut
Auch dieser Vorschlag dürfte in einem Land, in dem die Schattenwirtschaft auf bis zu ein Drittel des Bruttoinlandprodukts geschätzt wird, durchaus auf Zustimmung stossen. Schon während der letzten Legislatur hat Berlusconi mit Steueramnestien für Kapitalflucht Geld in die Staatskassen gebracht.
Berlusconis Wahlversprechen stimmen seine Rivalen nervös. Der Spitzenkandidat der Linken, Pier Luigi Bersani, wirft Berlusconi pure Demagogie vor. Der scheidende Regierungschef Mario Monti bezeichnet seinen Vorgänger als Rattenfänger. Er habe schon früher nur leere Versprechen gemacht. Am Schluss habe Berlusconi die Wähler, die zur Vermeidung eines finanziellen Kollapses grosse Opfer erbracht hätten, mit ihrem eigenen Geld zu bestechen versucht.