Der in Pisa geborene Politikwissenschaftler und Europarechtsexperte Enrico Letta war bereits mehrfach Minister und von 2006 bis 2008 ranghöchster Staatssekretär in der zweiten Regierung von Romano Prodi. Sollte ihm das Parlament das Vertrauen aussprechen, wäre dies der Wandel hin zu der jüngeren Generation.
Jetzt will der Brillenträger mit dem gelichteten Haar also einen ganz grossen Sprung nach oben machen. Staatspräsident Giorgio Napolitano hat ihn - etwas überraschend - ausgewählt, um mit einer grossen Koalition das Land zwei Monate nach den Parlamentswahlen von Ende Februar endlich aus der Regierungskrise zu führen. Nüchtern und moderat, kündigte der auch in Wirtschaftsfragen bewanderte Letta an, eine Regierung «im Dienst des Landes» führen zu wollen.
Der derzeitige Vize-Chef der in einer Zerreissprobe steckenden Demokratischen Partei (PD) war Ende der 1990er Jahre kurze Zeit Europa- und dann Industrieminister. Zuvor hatte Letta den Euro-Ausschuss des Etatministeriums und die Jugendorganisation der Europäischen Volkspartei geleitet. Eine Zeit lang war der auch christdemokratisch beeinflusste Letta damals Italiens jüngster Minister. Im Europaparlament gehörte er von 2004 bis 2006 der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa an.
Letta zog nach dem Sieg des Mitte-Links-Bündnisses 2006 als Vertreter der liberalen Partei «La Margherita» ins Parlament in Rom ein. Er gehörte im Jahr darauf zu den Gründungsmitgliedern der sozialdemokratisch ausgerichteten PD, eines Zusammenschlusses von Linken und Politikern der Mitte. Bei der Urwahl des ersten Parteichefs unterlag er dann allerdings deutlich Walter Veltroni.
Der Vater dreier Kinder ist stellvertretender Vorsitzender der grössten linken Partei hinter dem inzwischen zurückgetretenen Pier Luigi Bersani. Letta hat mehr Rückhalt in seiner Partei als der zuvor ebenfalls als Kandidat für das Amt des Regierungschefs genannte ehemalige Sozialist Giuliano Amato. Der designierte Premier ist ein Neffe Gianni Lettas, der zum konservativen Lager Berlusconis gehört.