Der neue italienische Regierungschef Enrico Letta ist nach Berlin gereist. Dort ist das Interesse an seiner Haltung an der von Deutschland angetriebenen Sparpolitik gross. Deutschland wird von vielen europäischen Ländern dafür kritisiert. Konfrontativ ist Letta dort nicht aufgetreten.
Der Besuch des neuen italienischen Regierungschefs in Berlin war ein erstes Beschnuppern der beiden Länder. «Wie sein Vorgänger Mario Monti wird Letta darauf drängen, dass die jährliche Höchstverschuldung der Euroländer von 3 Prozent für Italien vorübergehend gelockert wird», sagt Massimo Agostinis, SRF-Korrespondent in Rom.
Mit Wachstum aus dem Tief herauskommen
Italien hat sich an die 3-Prozent-Marke gehalten. Dafür wurde es vom Internationalen Währungsfonds gelobt. Doch wie in vielen anderen europäischen Ländern, kriselt die Wirtschaft in Italien. Um das definierte Ziel einzuhalten musste Italien die Steuern massiv erhöhen. Der italienische Staat spart überall. «Die Arbeitslosigkeit in Italien ist in kürzester Zeit auf zwölf Prozent angestiegen», sagt Agostinis. Besonders betroffen seien die Jüngeren, die unter 35Jährigen. Von ihnen sind 40 Prozent arbeitslos.
Um aus dem wirtschaftlichen Tief herauszukommen, müsste Italien kurzzeitig die 3-Prozent-Defizitmarke aufheben. Dies wird ein Punkt der Gespräche zwischen Angela Merkel und Enrico Letta sein.
An der Pressekonferenz nach dem ersten kurzen Treffen war noch alles Ordnung. «Angela Merkel hat betont, dass sie wisse, wie schwierig die Situation für Italien sei», sagt SRF-Korrespondent Caspar Selg. Sie habe aber bereits gesagt, dass Wachstum und Haushaltsanierung kein Gegensatz seien.
«Die 3-Prozent-Marke und den Zeitfaktor, bis wann der Haushalt saniert sein müsse, hat Letta an der Pressekonferenz nicht angesprochen», sagt Selg. Die heiklen Punkte würden wahrscheinlich sowieso erst beim anschliessenden Abendessen besprochen.
Weiterreise nach Paris und Brüssel
Nach dem Besuch in Berlin reist der Linksliberale nach Paris und Brüssel weiter. Letta fordert eine neue europäische Wachstumspolitik. Allein könne Italien die schwere Wirtschaftskrise nicht bewältigen, hatte Letta vor seiner Reise deutlich gemac
«Ohne Europa verlieren wir alles», sagte Letta. Die Wachstumspolitik könne in Zeiten der Krise nicht länger warten. Wenn in Italien nur saniert werde, sterbe das Land. Die EU müsse Wachstum fördern, ohne die Haushaltssanierungen zu gefährden.
Zuvor hatte Letta radikale Reform der Institutionen und der Politik angekündigt. So soll zum Beispiel das Wahlgesetz reformiert werden, um Pattsituationen in Zukunft zu verhindern.
EU ermuntert zu Reformen
Die EU-Kommission hat die neue Regierung ermahnt, europäische Sparverpflichtungen einzuhalten. «Die für dieses Jahr vereinbarten Ziele bleiben gültig», sagte EU-Sprecher Olli Rehn in Brüssel.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat den neuen italienischen Regierungschef Enrico Letta zu weiteren Reformen ermuntert. «Ich bin sicher, dass ich auf Ihre Entschlossenheit vertrauen kann, den Prozess fortzusetzen», sagte er in Brüssel.