Pier Luigi Bersani ist 61 Jahre alt. Er stammt aus der roten Emilia Romagna. Sein Vater war Tankwart, die Mutter Hausfrau. Beide waren überzeugte Katholiken und konnten mit den allgegenwärtigen Kommunisten nicht viel anfangen.
Ganz anders der junge Pier Luigi. Als er den später legendären Kommunistenführer Enrico Berlinguer als 16-Jähriger bei einem Auftritt sah, fing er Feuer für die kommunistische Partei. Heute bezeichnet sich Bersani nicht mehr als Kommunist, aber als Linker. Ein Freund habe ihn während des Wahlkampfs nach Neapel eingeladen, damit er dort den Duft der Linken schnuppern könne. Gäbe es diesen Duft nicht, würde er sich selbst nicht erkennen.
Gewerkschaften hinter Bersani
Dass Bersani die Nähe zur Linken sucht, hat ihm bei den Primärwahlen geholfen. Die immer noch mächtigen Gewerkschaften unterstützten ihn bedingungslos.
Geholfen hat Bersani auch sein zurückhaltendes, manchmal beinahe scheues Naturell – und seine Selbstironie – ein Kontrast zu Mario Montis professoralem Auftreten und Berlusconis Getöse und Selbstbeweihräucherung.
Praktikable Lösungen
Bersani kommt aus dem Parteiapparat. Als dreimaliger Minister während der Ära Prodi, zuständig für Transport- und Wirtschaft, geniesst er auch die Anerkennung der Wirtschaft. Sie sieht in ihm nicht den Ex-Kommunisten, sondern einen, der ihre Nöte kennt und als Minister auch praktikable Lösungen umsetzte.
In seiner Siegesrede mahnte Bersani seine Partei, sie dürften die Wahlen nicht dank leerer Versprechungen gewinnen. Sonst hätten sie nachher grosse Probleme zu regieren. Das ist nichts anderes als ein Versprechen, den Italienern endlich reinen Wein einzuschenken.
Ihnen beispielsweise sagen, dass von den 3,5 Millionen Staatsangestellten mehrere hunderttausend überflüssig sind, dass sie alle mehr und effizienter arbeiten müssen, dass sie aber auch weniger staatliche Leistungen erhalten werden, obwohl diese schon reduziert wurden. Und dass sich die Gesellschaft erneuern muss.
Keine einfache Aufgabe
Ob Bersani das schafft? Einfach wird es nicht. Die Gewerkschaften, die ihn unterstützen, werden kein Musikgehör haben, auch nicht die Linkskatholiken in seiner Partei, die von Fortpflanzungsmedizin, Abtreibung und von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nichts hören wollen. (fors)