Beppe Grillos «Movimento Cinque Stelle» («Bewegung Fünf Sterne») hat bei Regionalwahlen bis zu 20 Prozent erreicht. Er gilt im korruptionstraumatisierten Italien als Saubermann. Ist das sein Trumpf?
Massimos Agostinis: Zweifellos. Er kritisiert seit Jahren die Politikerkaste und deren Selbstbedienungsmentalität. Damit kommt er an. Italien ist auch in den letzten Monaten wieder von schweren Politskandalen erschüttert worden. Allerdings hat es in den letzten Monaten auch erste Flecken auf der sonst so weissen Weste von Beppe Grillo gegeben.
Grillo ist nicht unumstritten. Interne Kritiker hat er beschimpft.
Beppe Grillo sagte wortwörtlich: «Hört auf, mir auf den Sack zu gehen mit euren Kritiken. Wem’s nicht passt, wie ich regiere, der soll einfach verduften.» Wir hören hier einen Mann, der autokratische Züge aufweist, und der interne Kritik überhaupt nicht akzeptieren kann. Damit nähert sich Beppe Grillo Silvio Berlusconi, der ganz ähnlich in seiner Partei verfährt.
Grillo scheint sich vom Hoffnungsträger zu einer polarisierenden Figur mit autokratischen Zügen gewandelt zu haben.
Man wusste eigentlich schon immer, dass Beppe Grillo sektiererische Züge hat und wenig mit Kritik an seiner Person anfangen kann. Berühmt sind auch seine TV-Auftritte, in denen er einfach davonlief, wenn zu viel Kritik an ihm geäussert wurde. In letzter Zeit hat man zusätzlich registriert, dass er eine sehr EU- und auch ausländerfeindliche Politik verfolgt. Auch hier ist eine gewisse Nähe zu Berlusconi erkennbar.
Was ist Grillo und seiner Bewegung bei den Parlamentswahlen zuzutrauen?
Noch vor zwei Monaten glaubte man, dass Grillos Bewegung bis zu 20 Prozent der Stimmen holen könnte. Ich habe das nie wirklich geglaubt, weil Grillos Bewegung eine Protestbewegung ist, die sehr viel Zustimmung bei Umfragen kriegt. Bei Wahlen überlegen sich die Bürger zweimal, ob sie einer so polarisierenden Figur ihre Stimme geben wollen. Trotzdem geht man davon aus, dass Grillo rund 10 Prozent erreichen kann. Und das ist doch recht beträchtlich, wenn man bedenkt, dass er ein Newcomer ist.
Ideologisch steht Grillo in gewissen Punkten Berlusconi nahe. Könnte es sein, dass Grillos «Movimente Cinque Stelle» zwischen Berlusconi, also der Rechten, und der Linken zerrieben wird?
Ich glaube nicht. Aber ich glaube auch nicht, dass er diesen sensationellen Wahlerfolg haben wird. Berlusconis Entscheidung zur Kandidatur wird frührere Berlusconi-Wähler, die zu Grillo wechselten, wieder Berlusconi wählen lassen.
Grillo wird aber sicher ein gutes Resultat machen. Vor allem für die Linke ist das eine Hypothek. Die Linke wird wahrscheinlich die Wahlen gewinnen. Ihr Erfolg wird nicht gross genug ausfallen, um dieses Land wirklich regieren zu können. Das liegt auch an den Stimmen für Grillo.
Die sogenannten «Giochi di palazzi», Machtspielchen zwischen den Parteien im Parlament, werden also weitergehen. Und das ist genau das, was Italien nicht brauchen kann. Italien benötigt die klare Mehrheit einer Koalition oder einer Partei, welche endlich ernst macht mit Lösungsfindungen, und sich nicht in Machtspielchen verliert.
Könnte Grillo im Machtpoker das Zünglein an der Waage?
Es gibt diese Befürchtung. Und es wäre verheerend, wenn ein Mann, der mit nationaler Politik eigentlich wenig Erfahrung hat, dann plötzlich das Zünglein an der Waage spielt.