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Jahrelanger Konflikt Indisches Gericht spricht heiligen Ort den Hindus zu

Hindus und Muslime streiten im Norden Indiens seit Jahren um ein Stück Land. Nun findet der Streit ein vorläufiges Ende: Das Oberste Gericht hat entschieden, dass das Land den Hindus zugesprochen wird.

Im Grunde ging es um einen Landstreit, wie es so viele gibt im riesigen Indien und um die Frage: Wer war zuerst? Doch kaum ein anderer Ort im Land ist politisch und religiös so aufgeladen wie das rund ein Hektar grosse Grundstück im nordindischen Ayodhya, das Hindus und Muslimen gleichermassen heilig ist. Das grosse Sicherheitsaufgebot am Samstag in der Stadt zeugt davon. Tausende von Sicherheitskräften wurden zusätzlich in Ayodhya stationiert, 5000 Menschen in der Region vorsorglich inhaftiert, weil der Staat befürchtet, sie könnten Unruhe stiften.

Blutige Unruhen in den 90er-Jahren

Nicht ganz ohne Grund: 1992 haben radikale Hindus die Babri-Moschee an diesem Ort niedergerissen. Weil sie glaubten, diese Moschee wäre im 16. Jahrhundert auf einem zuvor gebauten Tempel des Hindugottes Rama gebaut worden. Das löste damals blutige Unruhen zwischen den beiden Religionsgruppen im ganzen Land aus. 2000 Menschen starben. Das war der Sündenfall.

Doch die Frage bleibt: Wer war zuerst? Das Indische Archäologische Institut machte nach dem Vorfall Grabungen an der Stelle und fand tatsächlich eine Struktur unter der Moschee. Die Historikerin Romila Tapar hat den Bericht des Archäologischen Institute genau gelesen. Darin sei von Mauer-Stücken die Rede, die aber nur sehr unwahrscheinlich das Gewicht eines Tempels hätten tragen können, sagt sie. War es also kein hinduistischer Tempel, auf der die Moschee gebaut wurde?

Die Historikerin macht den Umkehrschluss: Es sei nicht bewiesen, dass die Struktur unterhalb der abgerissenen Moschee, ein Tempel des Hindugottes Rama war, sagt Tapar.

Glauben statt Fakten

Wer hat nun recht? Das Oberste Gericht begründet seinen Entscheid nicht mit archäologischen Fakten, sondern mit dem Glauben. Die Tatsache allein, dass tausende hinduistische Pilger die Stätte besuchen, sei Grund genug um zu beweisen, dass Grundstück in Ayodhya eine wichtige hinduistische Gebetsstätte sei. Deshalb soll es der hinduistischen Gemeinschaft zugesprochen werden. Der muslimischen Partei sei es nicht gelungen, das Gegenteil zu beweisen, so das Gericht.

Und dennoch, die Richter verurteilen die Zerstörung der Moschee und sprechen der muslimischen Partei ein anderes Grundstück in Ayodhya zu. Diese gibt sich mit dem Urteil zwar nicht zufrieden, will es aber akzeptieren. Dem Frieden zuliebe.

Urteil entspricht politischer Grosswetterlage

Dem Frieden zu liebe war auch das Urteil. Denn die Emotionen verbunden mit dem Rama Tempel in Ayodhya sind dermassen gross, dass ein anderer Entscheid von der hinduistischen Bevölkerungsmehrheit nicht wäre akzeptiert worden wäre, sagt die Historikerin Tapar: Die wahrscheinliche Konsequenz wären wieder Ausschreitungen gewesen.

Es ging also nicht um die Frage, wer war zuerst und wer hat recht. Sondern allein um die Frage wem gibt man recht, um die Ruhe zu bewahren in Indien. Ein Urteil, das sich der politischen Grosswetterlage beugt.

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