Vor einem majestätischen Buddha-Baum auf dem Berg Doi Tung im Norden von Thailand steht ein kleiner Mann. Er heisst Chamnan, ist 73 Jahre alt und gehört dem Bergvolk der Akha an. «Früher konnte man diesen Baum von weit her sehen, sogar von Myanmar auf der anderen Seite der Grenze. Während der Erntezeit kamen wir alle zwei Wochen mit unserer Opium-Ernte hierher und verkauften sie Khun Sa.»
Khun Sa, der «Opium König», war von 1974 bis 1994 einer der weltweit einflussreichsten Drogenbarone. Der Burmese bewegte sich zwischen Thailand und Myanmar, wo er eine 20'000 Mann starke Miliz hatte, hin und her. Fast die Hälfte des weltweit gehandelten Heroins stammte in den 1980er Jahren laut der US-Antidrogen-Behörde von Khun Sa und damit aus dem Goldenen Dreieck – von Opiumbauern wie Chamnan.
Die Wälder hätten sie damals längst abgeholzt, sagt Chamnan. «In unseren Dörfern gab es keine Schulen, kein Spital, keinen Strom und wir Akha waren nicht als thailändische Staatsbürger anerkannt. Das Opium war unsere einzige Einnahmequelle.»
Die Bergvölker von Laos, Myanmar und Thailand brauchten Opium, das wegen seines Wertes auch schwarzes Gold genannt wird, auch für ihre eigenen Zwecke. «Da wir keine Medizin hatten, benutzten wir Opium als Schmerzmittel. Ich begann es zu rauchen, wurde abhängig und kam jahrzehntelang nicht mehr vom Stoff los. So wie mir ging es vielen», erzählt Chamnan.
Schlafmohn und damit Opium stammt ursprünglich nicht aus Asien, sondern aus Europa. Die ältesten Opium-Samen wurden in der Schweiz entdeckt, wo Schlafmohn bereits vor ungefähr 7000 Jahren angebaut wurde. Das lernt man bei einem Rundgang durch die Hall of Opium, etwas ausserhalb der Stadt Chiang Rai, wo Thailand, Laos und Myanmar am Mekong aufeinandertreffen. Das mehrstöckige, aufwändig gestaltete Museum wurde vor sechzehn Jahren von der königlichen «Mae Fah Luang»- Stiftung erbaut.
Der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA unterstützte anti-kommunistische Gruppen in Laos, die Opium anbauten.
Der Amerikaner Charles Mehl ist der wissenschaftliche Leiter der Ausstellung. Er erzählt, wie die Mohnsamen vor ungefähr 1000 Jahren über die Seidenstrasse von Europa nach Asien gelangt sind.
Das Museum Hall of Opium
Für die Probleme, die damit einhergingen und bis heute bestehen, seien massgeblich die Briten und die Amerikaner verantwortlich, so Mehl: «Die Briten verkauften ab Mitte des 18. Jahrhunderts Opium aus Indien in Südostasien und vor allem in China. Die Briten wollten so ihre Handelsbilanz verbessern. Denn bis dahin hatten sie teure Produkte wie Seide, Porzellan, Tee und Gewürze aus Asien importiert, konnten aber nur billigere Produkte wie Biberfelle und Silber exportieren. So zwangen sie den Chinesen das Opium regelrecht auf.»
Chinas Kampf gegen Opium
Das Opium zerstörte beinahe die chinesische Gesellschaft und Wirtschaft. 1839 verbot der Kaiser das Rauchen und den Import von Opium und liess eine grosse Menge britisches Opium verbrennen. Für die Briten war das Grund genug, um im Namen des freien Handels, den ersten Opiumkrieg mit China anzuzetteln. Zwei weitere Opiumkriege folgten. Grossbritannien besetzte Hongkong und erzwang sich den Zugang zum chinesischen Markt.
Der Opiumkonsum verbreitete sich daraufhin in ganz Asien, auch in Thailand, wo die Opiumsteuer zu einer wichtigen Einnahmequelle der Regierung wurden.
US-Geheimdienst befeuert Opium-Anbau
Als die Kommunisten 1949 in China an die Macht kamen und den Schlafmohnanbau unterbanden, verlagerte sich die Produktion ins Goldene Dreieck.
1958 wurde Opium zwar auch in Thailand verboten. Doch während des Vietnamkriegs hätten die Amerikaner dafür gesorgt, dass die Opium-Produktion gestiegen und Opium in die ganze Welt verkauft worden sei, sagt Opium-Experte Mehl: «Der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA unterstützte anti-kommunistische Gruppen in Laos, die Opium anbauten. Mit den Flugzeugen der CIA wurden Waffen für diese Gruppen eingeflogen und ihr Opium ausgeflogen.»
Dass in Thailand heute kein Opium mehr produziert werde, sei vor allem einer Reihe von Programmen des thailändischen Königshauses zu verdanken, erzählt Mehl.
Erfolgsprojekt auf dem Doi Tun
Auf dem Berg Doi Tung, wenige Meter neben dem Buddha-Baum, wo die Bauern des Akha-Volkes früher ihr Opium an den Drogenkönig Khun Sa verkauft hatten, steht heute ein Café mit Touristenzentrum. Die Hügel, die vor ein paar Jahrzehnten noch abgeholzt und kahl waren, sind wieder bewaldet, es gibt Kaffee- und Macadamianuss-Plantagen.
Vom Opiumanbau zur Touristenattraktion
All das sei das Werk der Grossmutter des heutigen Königs, die verstanden habe, dass nur, wer einen langen Atem habe und den Opiumbauern wirkliche Alternativen biete, Erfolg in der Drogenbekämpfung haben könne.
Deshalb habe sie die «Mae Fah Luang»-Stiftung gegründet, die hier seit den 1980er Jahren die Bergvölker unterstütze, erklärt eine Mitarbeiterin der Stiftung: «Bauern bekamen eine Anstellung als Waldaufforstungsarbeiter, wenn sie aufhörten, Schlafmohn anzupflanzen. Opium wurde durch Kaffee und Macadamianüsse ersetzt und wir halfen den Bergvölkern, die Produkte zu vermarkten und mit den Einnahmen die Dörfer zu entwickeln.»
Opium-Entzug gegen thailändischen Pass
Auch der ehemalige Opiumbauer Chamnan wurde so zum Kaffeebauern und sagt: «Es ist, als hätte ich dank dem Projekt ein neues Leben geschenkt bekommen. Nie hätte ich gedacht, dass meine Kinder einmal zur Schule gehen und ich ein Motorrad besitzen würde, aber beides wurde wahr.»
Dass er heute kein Opium mehr raucht, hat jedoch einen anderen Grund: Nur jene Akha, die in einen Entzug einwilligten, hätten schliesslich die thailändische Staatsbürgerschaft bekommen, sagt er. Opium sei heute in seinem Dorf kein Problem mehr, andere Drogen schon: «Unser Dorf liegt direkt an der Grenze, auf der Handelsroute von Schmugglern aus Myanmar.»
Schlafmohn wird dort noch immer angebaut. Ein viel grösseres Problem sind heute jedoch die synthetischen Drogen, die seit einigen Jahren in Myanmar in industriellem Masse hergestellt und in der ganzen Region verkauft werden.