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Arbeitskampf bei Amazon USA
Aus Echo der Zeit vom 25.02.2021. Bild: SRF Isabelle Jacobi
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Kampf für bessere Verhältnisse Amazon-Angestellte fordern den Technologie-Riesen heraus

Arbeiterinnen und Arbeiter eines Amazon-Verteilzentrums in Alabama machen Druck und fordern eine nationale Gewerkschaft.

Rund hundert Leute stehen im strömenden Regen und bekunden lautstark und fröhlich ihre Solidarität mit der Amazon-Belegschaft in Bessemer, Alabama. «Say Union say hell yes» – «Sag Gewerkschaft, sag Ja», lautet der Schlachtruf. Sie fordern, dass Amazon seine Angestellten besser behandelt.

Personen mit Fahnen.
Legende: «Es geht um mehr als Geld, es geht um unsere Würde», sagt Amazon-Angestellte Jennifer Bates. Die Gewerkschaften in den USA haben in den letzten Jahrzehnten massiv an Mitgliedern verloren. Nur rund sechs Prozent der Arbeitnehmenden in der Privatwirtschaft sind gewerkschaftlich organisiert. SRF

Lange Schichten, kurze Pausen

Von Ausnützung spricht die Amazon-Arbeiterin Jennifer Bates. Während einer 10-Stunden-Schicht würden bloss zwei Pausen zu 30 Minuten gewährt. Viele ihrer Kollegen klagten über körperliche Schmerzen, sagt die 48-jährige Afroamerikanerin. Die grosse Mehrheit der Belegschaft in Bessemer ist schwarz.

Bates verdient 15.30 Dollar in der Stunde. «Das ist nicht schlecht, aber auch nicht genug.» Es sei nicht ganz einfach, die Arbeiterschaft zu mobilisieren, gibt Bates zu. Viele ihrer jüngeren Kolleginnen und Kollegen hätten vorher weniger verdient und seien mit dem Lohn zufrieden.

Anti-gewerkschaftliche «Schulungen»

Zudem übe Amazon anti-gewerkschaftlichen Druck aus, berichtet Bates. Das Management überflute die Belegschaft mit Propagandamaterial und zwinge sie zu «Schulungen» während der Arbeitszeit: «Sie erzählen uns Lügen über einen angeblichen Beitragszwang. Kritische Fragen waren nicht erlaubt.» Alabama ist ein sogenannter «Right to work»-Staat; niemand darf gezwungen werden, einer Gewerkschaft beizutreten.

T-Shirts.
Legende: Etwa einen Kilometer von der Kundgebung entfernt steht das Verteilzentrum von Amazon. Vor dem Haupteingang verteilt die Personalabteilung gratis T-Shirts mit dem Warenhaus-Logo. Alle Angestellten werden daran vorbeigeschleust – für eine Dosis Corporate Identity. SRF

Amazon widerspricht

Die Mehrheit der Angestellten vertrete nicht die Sichtweise der Gewerkschaft RWDSU, schreibt Amazon in einer Stellungnahme gegenüber Radio SRF. Amazon habe in Bessemer über 5000 gut bezahlte Arbeitsstellen mit vergleichsweise guten Sozialleistungen und Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen.

Amazon eröffnete das Verteilzentrum 2020, nachdem die lokalen Behörden ein Anreizpaket von über 50 Millionen Dollar gesprochen hatten. Von einem Traum-Deal spricht der Bürgermeister von Bessemer. Vor zehn Jahren sei die Stadt am Rand des Konkurses gestanden, doch nun sei die Krise überwunden, dank der Präsenz von Firmen wie Amazon oder Mercedes.

Gewerkschaft: Bessemer kein Einzelfall

Der Präsident der Einzelhandelsgewerkschaft RWDSU, Stuart Applebaum, spricht dagegen von Milliardengewinnen auf Kosten der Arbeiterschaft. Er weist auf die monströsen Gewinne von Amazon-Chef Bezos in der Pandemie hin: «Bezos könnte allen Mitarbeitenden 100'000 Dollar-Bonus auszahlen und wäre immer noch reicher als vor der Pandemie.»

 Plakat der Gewerkschaft.
Legende: In den USA muss eine Mehrheit der Belegschaft für einen Gewerkschaftsanschluss stimmen. Die Unternehmen haben weitgehende Möglichkeiten, Gegenpropaganda zu betreiben. Kündigungen wegen einer Mitgliedschaft bei einer Gewerkschaft sind zwar untersagt, aber die Strafen bei Verstoss sind milde. SRF

Die Klagen der Arbeiter kommen laut RWDSU-Präsident Applebaum aus vielen Amazon-Standorten in den USA. Doch in Bessemer sei es erstmals gelungen, eine Abstimmung über einen Gewerkschaftsbeitritt durchzuführen.

Signalwirkung erwartet

Falls sich die Belegschaft von Amazon in Bessemer gewerkschaftlich organisieren würde, wäre das eine Sensation. Es gehe um viel mehr als um sie, so Applebaum. Amazon verändere die Industrie und präge so zunehmend den gesamten Arbeitsmarkt. Der Einzelhandelsriese werde zum Modell, wie Arbeitnehmende in den USA künftig behandelt würden.

Auch für Amazon geht es um mehr. Das Unternehmen fährt derzeit eine Kampagne in den Politik-Zeitschriften in Washington und streicht seine Arbeitnehmerfreundlichkeit hervor. Der Machtwechsel in Washington verheisst für Amazon nichts Gutes. Präsident Joe Biden gilt als gewerkschaftsfreundlich, und die Demokraten entwerfen Gesetze zur Stärkung der Gewerkschaften nach Jahrzehnten des Zerfalls.

Echo der Zeit, 25.02.2021, 18:00 Uhr

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